Unter dem Radar: The Kreed

So mancher wird sich vielleicht erinnern können, wie vor etwa acht Jahren auf der MacWorld in Tokyo John Carmack erste Bewegtszenen von Doom 3 zeigte. Was waren wir nicht alle, ausnahmslos, hin und weg? Mussten wir nicht alle unsere kollektiven Kinnladen wieder vom Boden aufklauben? Hölle, im wahrsten Sinne des Wortes, Hölle, sah das geil aus!

Kurze Zeit später machte ein kleines, russisches Studio Schlagzeilen, weil es Screenshots aus seinem aktuellen Projekt veröffentlichte, welches mit exakt den gleichen Features aufwarten konnte, wie sie John Carmack nur wenige Monate vorher präsentiert hatte. Echtzeitschatten noch und nöcher, Pixelshader en masse. Und weil niemand wusste, wann Doom 3 auch für uns arme Gamer Realität werden sollte, klammerte man sich an die Hoffnung, dass Burut eher fertig werden würden als die Jungens von ID Software. Weil, wir wollten diese Pracht nicht nur immer wieder in Videos und bewegungslosen Screenshots sehen, wir wollten das alles selber spielen!

Nun, zum Leidwesen von Burut und ihren Publishern erschien „The Kreed“ lediglich anderthalb Monate vor Doom 3. Kein Mensch wollte auch nur eine Minute mit einem seltsamen Ostblock-Shooter verbringen, wenn doch Doom 3 gerade um die Ecke bog und man den Feuerball eines Imps schon von weitem sehen konnte. Und wenn man ehrlich ist, so haben wir damals auch nicht viel verpasst. Gut, Doom 3 war zwar nicht das Spiel, welches wir erwartet hatten, aber es war dennoch gut und unterhaltsam genug, dass man viel, viel Zeit damit verbringen konnte. Und als im Herbst auch noch Half-Life 2 dem Genre vollkommen zu Recht seinen Stempel aufdrückte, verschwand „The Kreed“ endgültig und rückstandsfrei in der Versenkung, aus der dieses Spiel auch nie in der Lage gewesen wäre herauszukrabbeln.

Jetzt stellt man sich natürlich die Frage, warum ich hier soviele Worte über „The Kreed“ verliere. Um es höflich auszudrücken: Das Spiel ist nicht gut. Man könnte es sogar als schlecht bezeichnen.

Ja, es sieht ein wenig wie Doom 3 aus, zugegeben. Und einige Levelabschnitte machen sogar richtig was her. Jetzt nicht unbedingt Spitzenklasse, aber gefällig genug, dass man manchmal sogar ein wenig nur umherwandert und in der Architektur spazierengeht. Und es läuft sehr stabil und sauber. Kann man also nicht meckern.



Der Rest jedoch … blärghlll!

Minimalistische, abgehackte und unfreiwillig komische Animationen von Gegnern und der eigenen Spielfigur. Eine KD, die sich nicht einmal die Mühe gibt so zu tun, als würde sie aus mehr als nur zwei, drei Codezeilen bestehen. Eine Story, die mich eher zu verzweifelten Lachanfällen als zum Weiterspielen bewegt. Ein abgedroschenes, langweiliges Waffenarsenal aus der 08/15-Klischeekiste, was ja noch zu verschmerzen wäre, wenn die Waffensounds sich nicht wie im heimischen Badezimmer unter mehreren Metern Watte aufgenommen anhören würden. Da führt man keine großkalibrige Schnellfeuerwaffe mit sich, sondern allenfalls ein selbstgebasteltes Luftgewehr mit Zwilleantrieb. Der größte Abtörner, und auch gleichzeitig der Tropfen, der ein ganz bestimmtes Faß zum Überlaufen bringt, das sind die Sprachaufnahmen. Eine schlechte Aufnahmequalität ist schon schlimm genug. Bei „The Kreed“ kommen aber noch Sprecher hinzu, deren Qualitäten definitv ganz woanders liegen, nur nicht beim Vertonen von Dialogen. Um selbst aber dieses Maß noch voll zu machen, können nur die allerwenigsten Englisch. Es stört mich nicht so sehr, wenn man vor allem bei osteuropäischen Produktionen zT. deutlich merkt, dass Englisch nicht die Muttersprache der Sprecher ist. Egal, gibt dem ganzen einen gewissen Charme. Geradezu kontraproduktiv sind englische Sprachaufnahmen jedoch, wenn kaum einer der Sprecher diese Sprache tatsächlich so beherrscht, dass man etwas verstehen kann. Bei „The Kreed“ verstehe ich zT. kein einziges Wort. Falsch betontes, mühsam vom Blatt abgelesenes, kaum verständliches Genuschel, dem man hin und wieder ein paar englische Wortfetzen entnehmen kann.

Rein objektiv und nüchtern betrachtet, ist „The Kreed“ Softwaremüll.

Ich ertappe mich aber trotzdem dabei, wie ich großes, nein, sogar ein diebisches Vergnügen daraus ziehe, mich durch dieses Machwerk zu ballern. Denn unter all diesen gräßlichen Präsentationsmängeln steckt ein grundsolider Shooter, der zumindest in dieser Hinsicht nichts falsch macht. Einfach nur ballern. Für ein paar Minuten sich an simplen, spassigen Gameplay und einer nur noch unterirdisch zu nennenden Soundkulisse zu ergötzen.

Ich würde für „The Kreed“ keinen Cent extra ausgeben, aber wer irgendwann zufällig über diesen Titel stolpert und etwas für den kleinen Shooterhunger sucht … hey, warum nicht? Trash, vor allem so richtig geiler Trash, muss gebührend gewürdigt werden!

5 Kommentare zu „Unter dem Radar: The Kreed

  1. Ich war eine ganze Zeit recht schmerzfrei, was schlechte (oder übersimple) Shooter angeht und hab eine ganze Masse richtig schlechter auch tatsächlich durchgespielt. Unter anderem auch solche Nerv-Dinger wie „Stalin Subway“. Kreed war vor geraumer Zeit auf irgendeiner Zeitschriften-CD mit drauf, installiert, 15 Minuten gespielt und weg damit. Das Ding macht wirklich keinen Fatz Spaß.

  2. Ich hatte meinen Spaß mit Kreed. Hatte es auch mal über eine Heft-CD bekommen. Ja, es ist wie so viele „Russenshooter“ aus der Zeit alles andere als technisch perfekt, aber es orientiert sich eben stark an den großen, klassischen FPS der späten 1990er (Doom, Quake, Unreal) und hat deshalb doch einige Qualitäten, die anderen Shootern aus der Zeit abgehen. Das sind z.B. schnelles, bewegungsorientiertes Gameplay, düstere, geheimnisvolle Atmosphäre und große, weitläufige Level, die durch die vielen Nebenbereiche viel weniger linear waren. Und man musste öfter mal richtig suchen, wo es nun weiterging, nicht immer nur geradeaus den Korridor runter.Von der Story hinter Kreed hat man ja nur mangelhaft übersetzte Bruchstücke mitbekommen, aber die war doch schon ziemlich phantasievoll und abgedreht. Es ging irgendwie um einen religiösen Führer, der ein ganzes Volk dazu gebracht hat, in einer seltsamen Raumanomalie zu verschwinden, und als Spieler begibt man sich dorthin und bekommt nach und nach mit, was aus denen geworden ist. Der Spielercharakter wurde in den wenigen Cutscenes allerdings als unsympatischer Vollidiot dargestellt, der einfach mal seinen Gesprächpartner abknallt (da wusste ich nicht, ob es absichtlich ironisch oder nur unfreiwillig komisch war).Jedenfalls hatte ich mit Kreed mehr Spaß als mit Unreal2 oder FEAR.Tetz

  3. Unter anderem auch solche Nerv-Dinger wie „Stalin Subway“.Du hast Dich durch Stalin Subway gekämpft? Respekt! Da bin ich schon nach fünf Minuten schreiend aus dem Fenster gesprungen.Aber kennst Du „You are empty!“? http://en.wikipedia.org/wiki/You_Are_EmptyVollkommen wirrer, surrealer und ebenfalls nicht gerade berauschender Ostblock-Shooter. Hat aber was …

  4. You Are Empty hätte vom Setting her ein schöner Survival Horror werden können, war am Ende aber nur ein sehr simpel gestrickter FPS. Mit Monstern die eigentlich eher zu Painkiller oder so gepasst hätten. Seltsames Teil.Tetz

  5. Hmmhmmm, ja hatte ich. Wenn ich auch nicht mehr sagen kann, warum eigentlich. Vielleicht hatte ich grade das Gefühl, ich müsste mich selbst bestrafen.Ein Genuß wars jedenfalls nicht, Stalin Subway durchzuspielen.Hmmm. Sooo viele, die ich nicht wenigstens weitestgehend durchgespielt hatte, gabs eigentlich gar nicht.Darunter waren dann solche Perlen wie Kreed oder Red Faction 2. Oder auch einer der Battle Isle Teile, weiß nicht mehr welcher. Den hatte ich dann geschmissen, als Feindeinheiten mich von Hexfeldern außerhalb des Spielfelds beschossen.BESCHISS! 🙂

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