Ahhh, Ostblock-Shooter! Du, der Du ein Gamer westlicher Provenienz bist, lass alle Hoffnung fahren, vergiß alles, was Du von einem Spiel normalerweise erwartest und lasse Dich in ein Wunderland entführen, wo sich das schrecklichste Grauen und die süßeste Verzückung brüderlich und lästerschwich die Hände reichen.
Das kann manchmal gutgehen, wie man an STALKER, Painkiller oder einem Metro 2033 sehen kann.
Das kann auch manchmal komplett in die Hose gehen, wie es Titel wie zB. Stalin Subway erfolgreich aufzeigen.
Aber manchmal, da weiß man nicht, ob man begeistert in die Hände klatschen, ob man bitterliche Tränen vergießen, ob man zornentbrannt die Wohnung in kleine Stücke hauen oder ob man nahestehende Personen hochnotpeinlich befragen soll, wer denn bitte die eben beim Spielen gegessenen Kekse mit halluzinogenen Drogen versetzt hat. Das sind dann Spiele wie zB. Hard Truck Apocalypse oder mein Spezial-Lieblings(?)spiel, You are empty, bei dem mir immer noch nicht klar ist, ob das bewusster Kult-Trash, ein billig runtergeschluderter Fließband-Shooter, ein hochintellektuelles Kunstexperiment oder einfach nur willkürlicher Zufall in Reinkultur sein soll.
“Alpha Prime” ist nicht ganz so schlimm, aber auch nicht wirklich erstklassig, zeigt großes Bemühen und teilweise auch überzeugende Ergebnisse, schwächelt dafür auch gewaltig in anderen Bereichen. Würde man 100 Punkte als Das Perfekte Spiel nehmen und 0 Punkte für Das Perfekte Spiel – Wäre Ich Ein Masochist, dann liegt dieser Titel grob in der Mitte bei 50.
Es hat eine sehr feine Graphik-Engine, die tschechischen Leveldesigner und Texture Artists haben gute Arbeit geliefert, die englische Synchro ist ordentlich (keine Ahnung, welche Version da so mancher Reviewer zu Gehör bekam) und das Gameplay bietet zum traditionellen Geballer aus den traditionellen Waffen noch zusätzlich eine Art Bullet Time, ein Hacking-System und interaktive Spielereien mit der Physik-Engine. Sehr ordentlich!
Optisch zeigt sich das Spiel so, wie ich mir im Grunde ein Doom 3 gewünscht habe. Heller, mehr Farben, erfrischender für die Augen. Und ja, trotz leichtem Bloom und einigen Überstrahlungseffekten bleibt das Bild scharf und klar. Is ja auch kein Drecks-Unreal 3, sondern eine Eigenentwicklung der Herren aus Prag.
Spielerisch darf man, wie gesagt, keine Wunder erwarten, sondern bekommt ein klassisches Shooter-Gameplay. Schneller schiessen, besser zielen, geschickter in Deckung gehen und an bestimmten Stellen die Bullet-Time aufrufen. “Alpha Prime” könnte man jedem Shooter-Fan für den schnellen Spielspass zwischendurch ans Herz legen, wenn da nicht …
Trotz eines Patches, mit dem die Entwickler den Schwierigkeitsgrad gesenkt haben (Gegner machen weniger Schaden und gedroppte Waffen geben mehr Munition), ist Alpha Prime ein Paradebeispiel für die Designphilosophie, die charakteristisch für viele Ostblock-Spiele ist: Ein Spiel ist nur dann ein gutes Spiel, wenn man den Spieler heulend und schluchzend zurück zu Mamas Rockzipfel geschickt hat. Alpha Prime ist nicht einfach nur bockschwer. Alpha Prime wurde mit voller Absicht so entworfen, das der Spieler in regelmäßigen Abständen vor eigentlich unlösbare Aufgaben gestellt wird, sofern er nicht über Windhundreflexe und Nerven aus Kruppstahl verfügt.
An der eben gezeigten Stelle bekämpfe ich (mal wieder) eine Gruppe von Killer-Robotern. Wie der aufmerksame Leser feststellen wird, bleibt meine Healthbar trotz eindeutiger, roteinfärbender Trefferanzeige (der Balken am oberen Bildrand) konstant auf 100. Ich spiele mit Godmode, da so mancher Spielabschnitt selbst auf “Easy” zu einer ermüdenden Quickload-Orgie verkommt. Nicht auszudenken, dieses Spiel hätte Savepoints 🙂
Im Hintergrund sind ca. drei, vier Gegner zu sehen, die mich auch aus größter Entfernung so zielgenau mit schwerstem Feuer eindecken (es genügt nur ein pixelbreiter Spalt freie Sicht), dass ich im Grunde gar nicht vernünftig dazu komme, die drei Gegner direkt vor/unter mir zu bekämpfen, die natürlich auch nicht schlechter zielen oder weniger Schaden austeilen als ihre rückwärtigen Kollegen. Eine weiter voraus befindliche Röhre lässt zwar vermuten, dass man nicht direkt kämpfen, sondern dort hineinkriechen und die Gegner mit Handgranaten aus einer später auftauchenden Öffnung erledigen soll, aber zum einen wird mir ruckzuck die Rübe weggeballert, wenn man MITTEN in der Gegnermenge selbige hinausstreckt und zum anderen hat man aber auch zu wenig Granaten, um minutenlang blind um sich zu werfen, in der Hoffnung irgendwann alle Gegner ausgeschaltet zu haben. Und das ist nur ein Spielabschnitt, wo man ahnt, wie man ihn wahrscheinlich ohne den Einsatz von Cheatcodes bewältigen soll. Weia!
Hier werde ich, wie man an der Rotfärbung erkennen kann, ebenfalls unter Feuer genommen. Ohne Godmode wäre ich nur wenige Sekunden später tot. Von wem unter Feuer genommen? Leicht rechts der Bildmitte kann man einen winzigen, braunen Klecks erkennen. Das ist eine Art Automatik-Kanone. Ja, da hinten am Ende der Raumes. Dochdoch, da hinten, der kleine, braune Klecks! Dass dies der Gegner ist, merkt man aber nur am leicht rötlich flackernden, natürlich noch kleineren Mündungsfeuer. Wenn man aufmerksam hinschaut. Schaut man aber aufmerksam hin, lässt sich die notwendigen zwei Sekunden Zeit, ist man eigentlich schon wieder tot. Ist ja nicht nur ein Gegner mit einer Handfeuerwaffe, sondern ein Automatik-MG.
Ganz ehrlich, ich bezweifle, dass selbst der härteste Uberkiller-Zocker aus den Katakomben von St. Petersburg viel Spass an “Alpha Prime” hat. Das ist trotz Patch keine gnadenlose Herausforderung, das ist einfach nur ermüdende, unbezahlte Spiel-Arbeit. Mit Godmode kann man zwar endlich in einem zeitlich vertretbaren Rahmen weiterkommen, jedoch merkt man schnell, wie dünn das Spiel eigentlich ist, wie schnell man die 10 Level absolvieren würde. Ich nehme an, das haben die Entwickler auch bemerkt und als Gegenmaßnahme einfach den Schwierigkeitsgrad so brutal angezogen, dass Otto-Normal-Zocker kaum dazu in der Lage ist auch nur das dritte Kapitel zu erreichen.
So richtig empfehlen kann ich diesen Underdog nicht, zumindest nicht ohne Cheatcodes, dennoch ist das Spiel insgesamt nicht so schlecht, dass man nicht doch die eine oder andere vergnügliche Minute damit verbringen könnte. Wäre ich ein Fachjournalist für Videospielunterhaltung, ich würde diesem Titel selbstverständlich eine vernichtende Endnote geben, damit die Leute, die sowieso keinen Text lesen mit einem Blick auf die Zahl gleich wissen, dass das kein Spiel für sie ist.
Ich bin jedoch kein Fachjournalist, habe deswegen keine Verantwortung für die Anzeigenabteilung oder gar dem Leser gegenüber zu tragen. Ich bin nur ein kleiner, schmieriger Blogger, der dieses Spiel in voller Mißachtung der Genfer Konvention für Menschenrechte gerne ausgemachten Genrefreunden empfehlen möchte. “Alpha Prime” ist kein Spitzentitel, hat enorme Balancing-Probleme, bietet aber doch genug Spielspass und ist ansehnlich genug, um nicht nur als unangetasteter Lückenfüller für die Shooter-Sammlung zu dienen.
Ach Gott, die Spiele aus dem Ostblock. Alles immer graubraungrün, bockschwer, mit möglichst komplizierter Bedienung und verbugt. Und außer Shootern und schrecklichen Jagged Alliance-Klonen kommt ja auch meistens nicht viel…
Hier gibt es zumindest mehr als drei Farben in den Screenshots, auch wenn die Artdesign mehr als langweilig wirkt – gibt es da noch mehr als… nun ja, das da auf den Screenshots?
Später gibts noch Aussenareale, die ein wenig an Doom 3 erinnern. Nur etwas größer und farbiger 🙂
Was mich in dem Zusammenhang mal interessieren würde:
Wird unter den Senioren im Allgemeinen schnell zum Godmode gegriffen oder nur in den äußersten Härtefällen wie in diesem Beispiel?
Und habt ihr früher vergleichsweise häufiger Cheats angewendet? Schließlich gelten frühere Games generell als schwieriger.
Werden die Reflexe langsamer und wird die Leidensfähigkeit im höheren Alter geringer? Fehlt mittlerweile die Muße ein und denselben Abschnitt 10 mal neu anzufangen oder liebt man auch im gesetzten Alter die Herausforderung und das erhabene Gefühl dem Spiel gewachsen zu sein?
Sind frustige Stellen einfach „nur“ unfair und durch Scriptsequenzen oder übertrieben starke/ausdauernde Gegner -> greife ich früher wie heute zu Cheats.
Ist eine frustige Stelle herausfordernd und ich merke, dass ich nicht weiterkomme, weil sich die Entwickler nicht irgendeinen unfairen Mist ausgedacht haben, sondern weil ich einfach die Möglichkeiten der Spielmechanik nicht ausreichend einsetzen zu vermag -> keine Cheats. Höchstens ein Ignorieren des Titels bis genug Muße für das Meistern der entsprechenden Stelle vorhanden ist / alternativ Schwierigkeitsgrad für die Stelle herunterschrauben ( wenn möglich ).
Bin bei Scriptsequenzen in der Solokampagne, in denen trotz Zeitdrucks hunderte von NPCs immer und immer wieder angerannt kamen einfach ins Menü gegangen, von ‚Veteran‘ auf ‚Leicht‘ umgepolt und bin dann schnurstracks durch die feindlichen Reihen gelaufen.
Wenn Entwickler meinen so´nen überflüssigen Bockmist einbauen zu müssen, dann muss ich da nicht mitmachen ( auch wenn ich CoD1/2 rein auf Veteran durchgekriegt habe und es beim vierten Teil auch schaffen wollte – aber blieb mir leider verwehrt 😀 ).
Ist von daher wohl weniger eine Frage des Alters, ob man zu Cheats oder ähnlichem zurückgreift bei frustigen Stellen / Spielerlebnissen.
Ja, die Reflexe werden langsamer. Und ja, in mindestens ebenso starkem Ausmaß die Leidensfähigkeit. Zumindest mir geht es so, ich bringe für bestimmte Spiele weniger Geduld auf. Vor allem Actionspiele oder Plattformer
Bei Rollenspielen oder Adventures hingegen kann ich mich heute immer noch „verbeissen“, wenn der Designer mich nicht einfach vor den Kopf stößt, sondern mir Rückmeldungen darüber gibt, was gerade passiert ist. In dem Zusammenhang ist für mich „Neverwinter Nights“ ein Paradebeispiel, weil ich hier auf einem hohen Schwierigkeitsgrad durch genaues Beobachten und Studieren des Kampfverlaufes zT. schon während des Kampfes merke, was ich falsch mache und was wohl eine vielversprechendere Taktik wäre. Hier werde ich dafür belohnt, dass ich die Spielmechaniken verstehe und richtig anwenden kann. Das Spiel ist in sich logisch aufgebaut.
Leicht ärgerlich werde ich, wenn „Spielschwierigkeit“ durch eine unlogische Abkehr vorher eingeübter Abläufe und Taktiken erzeugt wird oder wenn der Spieler ganz klar in eine unfaire Position gebracht wird, die in der Regel schnell zum Reload führt. Jedi Knight Outcast zB., ansonsten ein gutes Spiel, hat so Momente, wo ich Raven Software gerne aus dem Orbit bombardieren würde …
Hi,
ich kann hier nur für mich sprechen, nicht für den Senior im Allgemeinen.
Ist ein Spiel fair, spiele ich es ohne Cheat oder Walkthrough. Die Half Life Spiele z.B. habe ich alle ohne jeden Cheat durchgespielt, manche Teile auch mehrmals mit steigendem Schwierigkeitsgrad.
Die Muße ist ein wichtiger Faktor, dazu kommt aber auch die Einsicht, dass man sich nicht von Spielen verarschen lassen sollte, die mit fiesen Tricks künstlich verlängert werden.
Mein idealer Shooter: Unreal Tournament in der Urfassung. Das deckt das ganze Spektrum ab. Habe ich viel Zeit, spiele ich ein Tournament. Will ich nur mal ein bischen ballern, gebe ich mir ein paar Maps auf moderater Schwierigkeitsstufe. Soll es etwas herausfordernder sein, stelle ich Autoadjust ein. Will ich was neues, installiere ich mir einfach mal ein paar Usermaps oder -mods, die ich noch nicht kenne. Das Spiel habe ich vor mehr als 10 Jahren geschenkt bekommen. Es läuft immer noch, wird immer noch mit Spaß gespielt, wird auch noch lange auf meinem Rechnern heimisch sein.
Warum ich das so sage? Weil man sich diesem Spiel in jedem Alter gewachsen fühlen kann, wenn man am Ende eines Instagib-Deathmatch mit nur einem Leben im Godmode als Sieger beglückwünschen kann…
Greetings Comrade
Also ich würde mal sagen, dass die Frustresistenz nicht zwangsläufig vom Alter abhängt, sondern von der allgemeinen Entwicklung von Computer- und Videospielen. Früher war ein Spielchen am heimischen PC oder der Konsole noch etwas besonderes, etwas total aufregendes! So konnte man den einen oder anderen Schnitzer verzeihen. Heute, wo der Trend immer weiter in Richtung Mainstream oder auch Wegwerfspiel geht und der Markt von vielen Top-Titeln seit Jahren geradezu überflutet ist, die nicht zuletzt eindrucksvoll aufzeigen wie ausgewogenes Gameplay funktioniert, sehen wir uns möglicherweise eher dazu bereit, eine frustige Passage einfach zu übergehen, statt es mehrmals zu probieren. Hauptsache mit dem Game „durch sein“, um schnell Platz für das nächste zu machen. Das beobachte ich bei mir, aber auch bei den wesentlich jüngeren Zockern in unserem Verwandtenkreis.
Und selbstverständlich spielt die große Verbreitung des Internets eine Rolle. Wenn man wo nicht weiter kommt, wird mal eben schnell Google oder Cheatseite X angesurft. Wenn der Designer keine Cheats vorgesehen hat, nimmt man eben ein entsprechendes Hacker-Tool, um sich durch das Spiel zu mogeln. Um ehrlich zu sein, selbst dafür bin ich oftmals zu faul und lege das jeweilige Spiel lieber wieder zur Seite, statt mich mit dem God-Modus durchzuquälen.
Life’s too short to play bad games 🙂
Warum soll man sich mit einem Spiel abärgern, wenn schon um die Ecke die nächsten 10 darauf warten angespielt zu werden. Ich koste lieber die Titel die mir wirklich Spaß machen richtig aus. Der Rest kann mir getrost gestohlen bleiben.
Im Godmode spiele ich nur adventures!…Ernst beiseite, ich habs mir im Alter angewöhnt, Spiele auf leicht zu spielen (das Gefühl, mir etwas beweisen zu müssen, ist irgendwie abhanden gekommen)…aber wenn das nicht reicht, hab ich nix gegen godmodes. (Aber dann muss schon noch irgendwas im Spiel auf mich warten, dass es wert ist) Früher hab ich mich allerdings VIEL länger mit einem Spiel beschäftigt als heute und dann hat man sich meist schon irgendwie durchgebissen. Und trotzdem kannte ich damals die cheats für DukeNukem3d, Doom und warcraft 2 alle auswendig. Aber dann stand mir auch immer mein innerer Sergeant im Weg, der was EHRLOSEM GESINDEL, MADEN, GEWÜRM, WENIGER ALS DRECK etc. brüllte…
Man schaue sich einfach mal, wie sich im Laufe der Lebensjahre die Reaktion auf Cheats ändert.
Kinder haben eine sehr genaue und ausgeprägte Vorstellung von Fairness und Gerechtigkeit und reagieren daher auch sehr heftig auf jemanden, der Spielregeln nicht einhält. Für sie ist jede Regel gleich wichtig. Je älter sie werden, desto häufiger erleben sie jedoch, dass man Regeln brechen kann und trotzdem gut davonkommt. Und irgendwann hat das Leben sie mit genug Scheisse zugeballert, dass sie (hoffentlich) gelernt haben, wann man welche Regeln doch besser einhalten sollte und welche Regeln einfach nur Kinderkram sind. Wie zB. Regeln in einem simplen SP-Computerspiel.