Parallelwelten

Auch wenn mich das neue Gothic-Spiel als “Gothic-nur-am-Rande-Verfolger” nicht allzu sehr interessiert, so war ich doch ein wenig neugierig, in welchem Zustand man diesen Teil der Serie auf die Menschheit losschicken wollte, vor allem da ich Spellbound, dem Entwickler, ein klitzekleinwenig Regionalverbundenheit entgegenbringe, liegt Kehl doch nicht nur am Rhein, sondern auch im sonnigen, schönen Baden.

Es gibt zwar seit ein paar Stunden von ArcaniA ein Pre-Zero-Day-Release, aber ich begnügte mich mit der Demo, reicht mir das doch aus, um kurz in das Spiel hineinzuschauen, denn zu mehr wird es wahrscheinlich nie kommen. Wie gesagt, ich bin nicht gerade ein ausgesprochener Gothic-Fan, habe früher Teil 1 zwar durchgespielt, Teil Zwei aber nie eingehend genug betrachtet und an Teil 3 erfreuten mich auch nur die Schauergeschichten aus den ersten Releasewochen.

Und da ich zur Zeit leider nicht die richtige Muße habe, um mich länger als ein, zwei Stunden vor die Kiste zu hocken, passt ein schnelles Hineinschnuppern in eine Demo auch eher zu meinem derzeitigen Spiele-Verhalten als ein langanhaltendes Abtauchen in fremde Welten. Langer Rede, kurzer Sinn, Demo installiert, gestartet und etwas herumgeklickt.

Sieht ordentlich aus, die Steuerung folgt Genrekonventionen und geht leicht von der Hand. Mit hohen Einstellungen läuft das alles sehr flüssig dahin, sofern ich darauf verzichte den Objektschatten auf maximale Details zu stellen, wobei ich auf den ersten Blick ausser einem deutlichen Ruckeln eh keinen Unterschied zur nächstniedrigeren Einstellung bemerken kann. Das Spiel scheint stabil zu laufen, es gibt keine Hakler, keine offensichtlichen Bugs und Fehler, das Spiel scheint qualitativ tatsächlich für einen Release fertig gewesen zu sein. Ist ja schon mal etwas, nicht wahr?

Ob “ArcaniA” spielerisch etwas taugt oder nicht, kann ich nach einer halben Stunde Hineingeschnuppere nicht sagen. Der Echtzeit-Kampf wirkt genauso belanglos wie bei Gothic 3. Simples Maustasten-Dauergeklicke und ein ergrauter, alter Diego gibt schnell klein bei, weil er nicht dazu kommt selber Angriffe zu starten, es sei denn ich bewege mich ein wenig zurück und lasse ihn absichtlich angreifen. Gut, das war nur der erste, hmm, Tutorialkampf. Dennoch kann ich das Gefühl nicht abschütteln, dass sich das im weiteren Spielverlauf nicht viel ändern wird. Echtzeit-Kämpfe in Rollenspielen sind in der Regel eh zu kompliziert für die große Masse, wenn sie überzeugend realistisch sein sollen. Also lässt man den Realismus Realismus sein und gestaltet den Kampf schön einfach, so dass auch Grobmotoriker im Spiel vorankommen können.

Doch ich mag mich auch täuschen. Vielleicht wird das später noch eine brilliante Nahkampf-Simulation, die selbst ein “Mount & Blade” wie simples Button-Smashing wirken lässt … okok, ich mache nur Spass. Ich bezweifle, dass es so gut wie in M&B werden wird 🙂

Das aber ist nichts, worüber ich mich großartig auslassen möchte. denn kenne ich doch nur Bruchstücke des Spieles. Nein, worüber ich mich heute auslassen möchte, ist eine Einstellung in den Video-Optionen, die ich grundsätzlich für eine feine Sache halte. Denn dort kann der geneigte Gamer einstellen, ob die Farbpalette des Spieles nach europäischem Geschmack oder nach US-amerikanischem Geschmack sein soll. Als typischer Euro-Chauvi wähle ich latürnich die EU-Palette aus, will ich doch nicht ob der vermutlich grell-hellen Farben der US-Version meines Augenlichtes verlustig gehen.

So spielt der Europäer

Äh, ja. Gut. Ok. Hmmhmm. Das ist also die EU-Fassung. Die Welt von ArcaniA, wie sie nach einem Vulkanausbruch aussieht, wenn sich überall Asche über Landschaft und Leute legt.

So spielt der US-Bürger

Das hier ist die US-Version, die so aussieht, wie ich eine Wiese, Felsen und einen kleinen See bei hellem Sonnenschein farbintensitätsmäßig in Erinnerung habe. Ein kräftiges Grün, ein intensives Blau und ein sattes Lehmbraun des Erdbodens. So sieht das in Wirklichkeit aus. Auch in Kehl. Sogar in Kehl. Selbst in Kehl.

Kehl am Rhein

Die Rheinauen sind im Sommer ein wunderschöner Anblick, der nahegelegene Schwarzwald ist herrlich grün (und nicht schwarz) und das linksrheinische Elsass verbreitet blasse Cremefarben auch nur als Belag auf leckeren Flammkuchen. Ja, die Eifel mit ihren Protovulkanen liegt in der Nähe und mit dem Kaiserstuhl hat man sogar einen richtig schönen Ex-Vulkan gleich um die Ecke, dennoch, bitte, also wirklich …

Wo immer dieses Europa liegen soll, welches man bei Spellbound eigens mit einer distinguierten Farbpalette bedacht hat, in dieser meiner Wirklichkeit kann es sich nicht befinden. Aber wer weiß, in welche Parallelwelt die Texture-Designer bei Spellbound von den geomantischen Energien des Oberrheingrabens gesaugt wurden …

Dies aber nur als kleine Randbemerkung, denn wie bereits gesagt, halte ich so ein “Geschmack ist subjektiv-Feature” doch grundsätzlich für keine schlechte Idee. Ich finde, man sollte bei Spellbound aber etwas über die Benennung der beiden Profile nachdenken. “Blaß” und “Intensiv” wäre zB. eine Möglichkeit. Aber nicht “Europäisch” und “Amerikanisch”.

Nee, wirklich nicht.

5 Kommentare zu „Parallelwelten

  1. Noch eine Anmerkung: Die deutsche Synchro … näää, ich weiß ja nicht. Glatte, zu perfekte und blasse Stimmchen radebrechen durch einen holperigen Dialog. Drakensang hat gezeigt, dass man sogar in Deutschland qualitiv sehr gute Sprachaufnahmen im Spielebereich produzieren kann.

  2. Zwei Dinge:
    – Ich wurde in der Arcania-Demo innerhalb von Minuten seekrank, weil die Kamera sogar die Schritte der Hauptfigur mitgemacht hat.
    – Das Nahkampfsystem in Gothic fand ich richtig gut. Mal nicht dieses „wer kann schneller den Knopf drücken“. Leider war ich da wohl der Einzige.

  3. Gohtic 1 krankte im Wesentlichen nur an einem nicht vorhandenen Tutorial, denn hatte man sich endlich durchgebissen (meine damalige Tischkante kann Geschichten erzählen …), war das Kampfsystem sehr präzise und direkt. Das hier jedoch wirkt doch sehr … klickediklick und sonst nix dahinter.

  4. Witzig, „europäisch“ sieht für mich normal aus, „amerikanisch“ ein bißchen technicolor-like überfärbt.

    Der Unterschied dürfte aber nicht im „Geschmack“ liegen, sondern im Monitor. Ich schaue die Screenshots mit einem hochwertigen CRT der 1000-EUR-Klasse an. Der hat natürlich deutlich mehr Farbraum, als die 250-EUR-TN-LCD-Glotzplatten, die beim Mediamarkt so herumstehen. Überrascht mich jetzt nicht. 🙂

    Letztlich dürfte es sich also um die optische Variante des Loudness-Wars handeln, der bei Audio-CDs Einzug gehalten hat: Die werden heutzutage auf Plastebrüllwürfel mit Tieftonwerfer abgemischt. Amerikanische Spiele dann eben auf übliche „HDTVs“.

  5. Jaja…Gothic 1, hmm… Der einzige Grund warum ich es nicht wieder installiere ist die verhunzte steuerung, meine Tischkante kann auch ein Lied davon singen.
    Ansonsten ein Top-Titel, der nur durch den zweiten Teil noch übertroffen wurde. Für mich der beste Teil der Serie, soltest es mal unbedingt nachholen Harzzach.

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