Trashtime

So, Kontrastprogramm …

Auch wenn ich meine Wette bezüglich des Schicksals von Jowood frühzeitig gewonnen habe, hat es mich dennoch in den Fingern gejuckt. Der Irrwitz saß mir im Nacken, ArcaniA musste gespielt werden. Nicht einfach nur ein, zwei Stunden angespielt, sondern (nach Möglichkeit) voll und ganz bis zum bitteren Ende durchziehen. Nicht unbedingt, um mich für irgendein eingebildetes Vergehen zu kasteien, sondern weil jetzt, nachdem der Käs gegessen, die Katz gestreichelt und Jowood pleite ist, eine gewisse Last von meinen Schultern gewichen ist. Ich kann nun befreit und entspannt meinem Lieblingshobby nachgehen, dem Ausgraben und Spielen abstruser und seltsamer Spiele, für die sich aus zum Teil gutem Grund keine Sau interessiert hat.

Da isses nun. ArcaniA. Ja, ich weigere mich es Gothic 4 zu nennen. Nicht, dass Piranha Bytes nach dem Debakel des dritten Teils Mitleid verdient hätten, aber nur PB haben das moralische Recht ein Gothic-Spiel zu verhunzen. Günstig aus der Elektrobucht gefischt, denn solche Spiele muss man sich ins Regal stellen. Nicht unbedingt allzu prominent, aber es kann durchaus Vergnügen bereiten, wenn einem beim Durchgehen der Sammlung beim Anblick der einen oder anderen Verpackung der kalte Schauer den Rücken hinabrinnt. Wobei, schlecht im Sinne von “schlecht” ist ArcaniA gar nicht mal. Es ist nur so … hmmm.

Kommen wir also gleich zu den Punkten, die man ganz objektiv wertschätzen kann.

Es sieht gut aus. Ja, ArcaniA sieht gut aus! Texturen, Modelle, Architektur, Geographie, Weltendesign sind ansprechend, hübsch und bisweilen sogar kreativ und abwechslungsreich. Da gibt es gar nichts zu meckern. Ok, fast nichts, denn leider stößt man öfter als einem lieb sein kann auf das, was Leveldesigner gerne verwenden, wenn sie unter Zeitdruck einen Spielabschnitt fertigstellen müssen. Spellbound muss ganze Wagenladungen an unsichtbaren Wänden, transparenten Levelbegrenzungen eingekauft haben. Aber das ist nur ein minderwichtiges Mini-Detail am Rande der Aufmerksamkeitsschwelle, da solche Elemente, die in anderen Titeln ganz erheblich die Spielatmosphäre beeinträchtigen können, bei ArcaniA aus Gründen, auf die ich später näher eingehe, nicht wirklich stören.

Was sich bei der Optik und der handwerklich sehr guten Qualität des Art Designs andeutet, setzt sich bei Laufstabilität und Performance fort. ArcaniA läuft zumindest auf meinem Rechner auf sehr hohen Einstellungen flüssig und ohne Zickereien, das Spiel wirkt aus einem Guß, sauber gecodet und wirkt angenehm gering mit Bugs belastet. Saubere Arbeit, Spellbound. Sehr ordentlich gemacht!

Spielerisch hält ein ArcaniA natürlich keinem Gothic-Vergleich stand. “Kloppmist” trifft das ganze schon eher. Einfacher, sogar sehr einfacher Kloppmist ohne Anspruch. Noch simpler als bei Action-Rollenspielen vom Schlage eines Torchlight oder Diablo. Komplexität wird über diverse Talentbäume allenfalls suggeriert, aber mehr als RechteZeigerfingerspitzeAufMaustasteDrücken und ab und an mit Spezialangriff die Blockade eines Bossgegners lösen ist nicht drin. Ideal für Leute, die beim Zocken nicht Nachdenken können oder wollen. Ideal für Leute, die zwar keine Lust auf stumpfes Fernsehglotzen haben, aber beim Spielen auch nicht unbedingt mehr tun wollen, als unbedingt nötig. Ideal für Leute, die nach dem Durchspielen von DA2 Lust auf dergleichen mehr haben 😛

Das ist für sich genommen eigentlich kein Grund ein Spiel in der Luft zu zerreißen, denn wer wie ich Spass an simplen Fun-Shootern wie Serious Sam hat, der sollte sich beim Thema “Komplexität” nicht allzuweit aus dem Fenster lehnen. Doch leider hat Jowood in der Werbung und in der vorbereitenden Öffentlichkeitsarbeit derart die Klappe aufgerissen und vor allem durch die Verwendung des Namens “Gothic” im Spieletitel ganz bewusst gewisse Assoziationen geweckt, dass man angesichts des vorliegenden Spieles fast schon Betrug sprechen kann, mindestens aber der Vorwurf der irreführenden Werbung aufrecht erhalten werden kann.

Wie gesagt, das alles macht das Spiel für sich genommen ja noch nicht schlecht. Was ist es dann, was mich während der gesamten Spielzeit über fast dazu gebracht hat barfüßig vor dem Rechner zu sitzen, um nicht ständig den vom Fuß entfleuchenden Socken hinterherlaufen zu müssen?

Das grundlegende Problem von ArcaniA ist vom ersten Moment an erkennbar, sobald eine Figur den Mund aufmacht und einen Dialog absondert, dessen Plattheit einem schnell abgedrehten Porno alle Ehre machen würde, in einem Rollenspiel mit episch sein wollender Story und einem reichhaltigen Setting aber so, so …

… SCHRECKLICH …

… ist, dass es mir, wie bereits erwähnt, permanent die Socken auszieht. Fassungslos klickt man sich durch wenige, kurze, extrem einfache Sätze und Worthülsen, deren Sinngehalt sich kaum vom einsilbigen Gegrunze eines zufrieden im Schlamm wühlenden Wildschweins unterscheiden. Mein erster Impuls bestand darin, entsetzt und panisch das Spiel zu beenden, sofort zu de-installieren und Datenträger wie Hülle in den Gesegneten Feuern meines Heimaltars zu läutern. Schrecklich, gräßlich, entsetzlich. Man sieht dem Spiel an jedem Dialog, an (fast) jeder Quest und jedem Storyfortschritt an, wie hier ganz bewusst und absichtlich eine potentiell reichhaltige Welt auf Elementarteilchen-Dimensionen zusammengedampft wurde, um eine Zielgruppe anzusprechen, von der man eher denkt, dass sie allenfalls Farmville spielt und kein “Core”-Fantasy-Rollenspiel.

Andere Entwickler hätten eine kleine Situation direkt zu Beginn des Spieles zwischen dem Helden, seiner holden Dame und einem Ork zum einen mit mindestens dreissig Minuten an verzweigten Dialogen bedacht und zum anderen daraus eine kleine, witzige Nebenhandlung entwickeln lassen. Hier jedoch … ein einziger Satz, um alle offenen Fragen zu klären. Nicht einmal ein Nebensatz. Ein einziger kurzer Hauptsatz, der so beliebig und substanzlos wie all die anderen Dialoge ist, dass man sich allen Ernstes fragt, warum Jowood überhaupt Geld für Sprachaufnahmen zum Fenster rausgeworfen hat. Weil … dafür hätte auch nur ein Textfenster gereicht, denn die für derartige Gespräche darzustellende Textmenge und das zum Verständnis erforderliche Grammatikniveau hätte allenfalls einen Legastheniker mit einem IQ von 35 überfordert. Leider verpuffen durch diese unterirdische Dialogqualität ein paar wohlgemeinte Anstrengungen einige Quests über den üblichen Fantasy-Standard zu heben, da sie von diesem Nullniveau wieder ansatzlos in den Keller gezogen werden.

Doch dann hat es plötzlich “geklickt”, der Groschen fiel endlich.

ArcaniA ist Trash. Trash von der Güte billiger Monsterfilme, wo Stuntmen in Gummikostümen mit deutlich sichtbaren Reissverschlüssen durch liebevoll aufgebaute Miniaturlandschaften stapfen, während der Rest des Filmes von wild schreienden Komparsen und hilflos daherstammelnden, abgehalfterten Schauspielern am Ende ihrer Karriere bestritten wird.

ArcaniA ist kein besonders schlechtes Spiel im Sinne eines objektiv sein wollenden Testberichts mit Bögen und Werten und Zahlenreihen. Zwar auch kein sonderlich gutes Spiel, aber kein Ripoff, kein schlampiger Software-Dreck, sondern solide und handwerklich sauber produziert.

ArcaniA ist aber ein gräßlich-schlecht-übles Machwerk, wenn man so Dinge wie Atmosphäre und Anspruch in einem Rollenspiel sucht. Bodensatz, unterster Bodensatz. Peinlich, schrecklich, unfassbar primitiv und Gigalichtjahre an Potential verschenkend.

ArcaniA ist somit Trash. So richtig derber Trash, der sich dank der handwerklich sauberen Machart sorgenfrei genießen lässt, wenn man es schafft genau den Winkel im Wachbewusstsein zu finden, der sich von solchen Ausflügen in die Niederungen des Limbischen Systems ansprechen lässt.

Derzeit stecke ich wohl etwa in der Mitte des Spieles. Nein, es wird nicht besser. Es wird immerhin auch nicht schlimmer. Aber es fängt an zu nerven und zwar gewaltig. Denn der Unterhaltungswert dieses Trashwerks nimmt Stunde um Stunde ab und ich spüre, wie “stupid” durch meine Gehirnwindungen kriecht und versucht sich festzusetzen. Ich befürchte, ich werde ArcaniA bald links liegen lassen … es gibt eben für alles Grenzen.

19 Kommentare zu „Trashtime

  1. Hehehe..wollte dich schon anschreiben, und fragen wie dir Arcania gefällt. Da kommt mir dieser Beitrag ja sehr gelegen. 😉

    Halt duch! Wenn du es geschafft hast, kann dir kein Fanboy mehr vorwerfen, dass du nicht mitreden kannst.

    Du musst dir nur eine Frage stellen: Ist das die ganzen Qualen wert? 😉

    May the schwarz be with you!

  2. Das Ende? Harzzach beschliesst seine Zeit mit wichtigeren Dingen zu verbringen und lebt glücklich und zufrieden bis zu dem Tag, an dem er sich endlich dazu aufraffen kann, das Baldurs Gate Big World Project zu vollenden, wo neue Abenteuer auf ihn warten …

    ArcaniA ist eine Weile ganz nette Trash-Unterhaltung, aber ehrlich jetzt, es fängt an wirklich zu nerven, weil es einfach so fürchterlich hohl und dumm ist. Da spiele ich lieber ne Runde Torchlight.

  3. Weisst Du, was mich die Meinung eines XYZ-Fanboys interessiert? Richtig … 🙂

    Und ist es die Qualen wert? Zumindest bis jetzt habe ich mich scheckig gelacht. Kein Frage. Aber ich merke, wie sich dieser selbstinduzierte Spass allmählich abnutzt.

  4. wann spielst du Dragon „everytime you hit a button, something awesome happens“ Age 2 denn mal an?

    Das Big World Project, ohja, das steht bei mir eigentlich auch noch an. Ich brauch Zeit, soviel zeit!

    Gruß
    Enrico.

    PS.: Immerhin sieht die Tuss aus dem Interview ziemlich scharf aus…

  5. Respekt, Alter, Respekt!
    Klingt auch ein bisschen verlockend, muss ich sagen. Trash löst bei mir immer so ein Fingerjucken aus. Denn richtig guter Trash ist ja nur der Trash, der eigentlich große Kunst sein will. Wo alle Beteiligten sich bei der Erstellung die ganze Zeit eingeredet haben, dass sie da an was ganz großem werkeln. Trash hat also auch immer was Tragikomisches. Wenn „Arcania“ das bietet – dann denk ich da auch mal drüber nach.
    Allerdings – ein ganzes Rollenspiel lang? Ich weiß nicht, ob ich dafür stark genug bin. Vielleicht bleibe ich doch im 1h30Min-Format. Ich seh da grade im Regal meine „Daniel der Zauberer“-DVD. Und da ist es wieder, dieses Jucken in den Griffeln.

  6. Erinnert ich in deprimierender Weise an die Erfahrungen mit Divinity II, das ich gestern aus purer Verzweiflung erstanden habe…

    Die Lieblosigkeit in der Charakterdarstellung, langweilige o8/15 Quests, grenzdebile Storyline…ouch.

    Dann weiß ich jetzt immerhin daß ich falls ich mich einmal züchtigen will nicht noch zu ArcaniA greifen muss. Scheint nicht schlimmer als Divinity zu sein *g*

  7. So schlecht? Und ich hatte gehofft, daß mir Spiele wie Divinity 2 und Venetica zumindest für 10€ halbwegs kurzweilige Unterhaltung bieten können.
    Naja, probieren geht über studieren, und als nächstes RPG ist eh erstmal Drakensang 2 an der Reihe *freu*

  8. Bei Venetica kann ich Entwarnung geben.
    Überaus charmantes Action-RPG mit kleinen Gothic-Anleihen im Gameplay und überaus gelungenem Venedig-Design.
    10€ ist es auf jeden Fall wert!

  9. Auch Divinity 2 ist nicht völlig schlecht. Das erste Drittel ist recht unterhaltsam und nett gemacht. Der Rest verkommt dann aber eher zu H&S.
    Fürn 10er kann man das auf alle Fälle kaufen, zumal im Gegensatz zu DA:O/DA2 der Kampf Spass macht 😉

  10. Spiel die Demo und zieh’s Dir selber rein. So isoliert zitiert wirkt das nicht sonderlich, man muss diese Texte schon im spielerischen Kontext erleben. Achja, und auf die Sprachaufnahmen mit den typisch runtergenudelten Sätzen und einem Casting direkt aus der Lindenstrasse bin ich ja noch gar nicht eingangen.

    Wie gute Dialoge und gut gewählte Sprecher ganz erheblich zur Erzeugung einer glaubhaften Welt beitragen können, das sieht man wunderbar an Nehrim und Drakensang-AFdZ. ArcaniA ist dagegen lächerliche Grütze!

  11. Divinity II: Ist Geschmackssache. Aber gerade den Einstieg fand ich doch eher zu aufgesetzt.

    à la: hej! Ich bin jetzt ein ausgebildeter Drachentöter (Mag hier jemand Eragon? 😛 )…nach 15 Minuten Spielzeit.
    Jetzt fehlt nur noch ein Drachezum töten…dumm daß es die kaum noch gibt Aber, ach—na sowas! Da taucht ja doch einer auf…
    öh…nix wie druff!

    Die Kulisse ist hübsch gemacht aber es kam bei mir zu keiner Zeit ein „mitten drin“ Gefühl auf, die Figuren wirkten synthetisch…ich fühlte mich so reingerotzt *g*

    Wer Two Worlds mochte kommt damit evtl eher klar.

    Das Kampfsystem fand ich eher eindimensional…einfach Schwert nehmen und drauflos hacken wird nicht bestraft, die Gegner kippen immer um. Hin und wieder mal einem Feuerball ausweichen, das wars. Mit dem Bogen kaum anders.

    Nicht so schlimm wie Gothic III. Aber Spiele wie Age of Conan mit seinem melee-Kombo System oder der Witcher zeigen wie actionbetonter Kampf Spaß machen kann. Selbst bei Risen oder Oblivion braucht man viel mehr Gefühl fürs Timing der Schläge etc. als bei Divinity II. Genau genommen braucht man da nur draufhalten und gut ist 😛 (nix geht über eine gute isometrische Partyansicht Runde für Runde *g*)

    Klar, hat auch seine Stärken aka ein paar nette Features wie ein Friseur (für Leute wie mich praktisch die erst nach der Charaktererstellung bemerken daß die gewählte Frisur doch total panne aussieht), Gedankenlesen, ein Kampfsystem in dem schnelles Bewegen zumindest theoretisch wichtig ist.

    Dennoch: alles in allem leider eine Enttäuschung.

    RPG von der Stange.

  12. Ich glaube ich weiss was du da versuchst -eine Art Rollenspiel- Kneippkur. Nachdem man einige Stunden durch eisiges Arcania-Gewässer gestapft ist wärmt sogar ein Dragon Age 2 das Herz…oder so…

  13. Ich habe es mir mal bis Video 13 angeschaut… Welche Teenies haben denn bitte diese Dialoge verzapft? Teilweise muss man da schon lachen, aber teilweise auch „WTF!!!“ von sich geben.

    Unterste Schublade, Animes/Mangas haben teilweise bessere Dialoge als Arcania.. und DAS will was heißen. xD

  14. Der Risen Protagonist war auch nicht gewiefter als Mr. Arcania…

    Ich hab das Spiel tatsächlich auch nur wegen der sehr ansprechenden Grafik gespielt (was für mich sonst abslut kein Kriterium ist). Die meiste Zeit habe ich damit verbracht die Städte und Burgen zu begaffen. Auch die Landschaft sieht genial aus und erweckt wirklich eine klasse Atmosphäre! Mit der Engine können SB jetzt gerne ein vernünftiges Spiel erschaffen.

    Inventar Management, häßliche Dungeons, Kampfsystem und schlauchige Wälder verderben allerdings wie schon angesprochen den Spielspaß. Den Schwierigkeitsgrad sollten auch Spaßspieler lieber gleich auf „schwer“ stellen. Gegen Ende sieht man als Krieger dazu noch aus wie ein rollender Panzer, darum habe ich mit einer Rüstung aus der Spielmitte weitergespielt – war damit auch noch recht einfach 🙂

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s