Theorie und Praxis

Seit gestern kann man bei GOG.com die komplette Ultima VII-Saga erstehen.

Mit Serpent Isle, mit beiden Addons. Viele, viele, VIELE Stunden voller grenzgenialem, wegweisendem RPG-Gameplay und einer faszinierenden langen Story mit überraschenden Wendungen und Liebschaften. Zwar nur schnöde Heten-Liebe, liebe Bioware-Fanatiker, aber vor zwanzig Jahren war das sensationell genug, dass der Held nicht nur Sex hatte, sondern je nach vorher gewähltem Geschlecht mit einen anderen NPC eine Affäre begann. Für nur läppische 5.99 $ (DOLLAR) kann man bequem und einfach selber nachvollziehen, warum alte Rollenspiel-Säcke so aus dem Häuschen geraten, wenn der Name Ultima im Allgemeinen und Ultima VII im Speziellen fällt.

Und als ich gerade am Verfassen einer ellenlangen, euphorischen Hymne auf nicht nur Ultima VII, sondern auf die gesamte Ultima-Serie war, da schoß mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf:

Warum um alles in der Welt kannst Du Dich für Ultima-Spiele, in der uralten DOS-Version wie auch neueren Remakes, so begeistern und wieder und immer wieder zocken, während Du nur beim Gedanken an das nächste RPG von Bethesda heftigst mit einem Gähnreflex kämpfen musst?

Denn schon mit Ultima 1 wurden die Wurzeln dessen gelegt, was man heute als OpenWorld-, als Sandbox-Spiel bezeichnet. Der Spieler wandert über eine große Welt und erkundet dort nach Lust und Laune jeden Winkel, während die Haupthandlung irgendwo im Hintergrund herumlungert. Mit jedem Ultima-Spiel wurde die zu erkundende Welt größer und bizarrer, man bestieg Schiffe und Ballone und Zeppeline und Raumschiffe. Mit fortschreitender Leistungsfähigkeit der Rechner wurde die Welt immer detaillierter und raffinierter. Man buk Brot von Mehl, welches man vorher aus Korn gemahlen hat, welches man vorher auf dem Feld geerntet hat, mit Wasser, welches man vorher mit einem Eimer aus dem Brunnen geholt hat. Man las Bücher. Viele Bücher. Man sprach mit NPCs, die nachts zu Hause im Bett lagen und tagsüber an ihrer Arbeitsstätte anzutreffen waren. Man konnte ihnen sogar beim Aufstehen und Commuten zusehen, wenn man wollte. Da wurde nix „gebeamt“, da haben sich die Figuren wuselig durch die Welt bewegt. Es gab keine Levelbegrenzungen, keine Ladebalken, nur sehr wenig isolierte und abgeschlossene Gebiete, nur wenig Linearität. Vor und zurück, hin und her, nach Lust und Laune.

So war die Ultima-Serie. Kommt einem leicht bekannt vor, nicht? Ultima war Wegbereiter und Vorbild dessen, was man heute in Spielen wie Oblivion oder Skyrim bejubelt und feiert. Eine große, fantastische Welt zum Erkunden, zum Sichdrinverlieren und zum Erleben eines Abenteuers, welches man teilweise selber schreiben kann.

Warum jedoch, warum finde ich Bethesdas spirituelle Ultima-Fortsetzungen aber seit TES: Arena so strunzelangweilig? Warum finde ich nach zwei Stunden Morrowind Keyboard-Abdrücke auf meiner Stirn? Warum tappse ich angeödet durch Oblivion, während mich das recht lineare Nehrim zu wahren Begeisterungsstürmen hinreissen lässt? Warum geht mir ein Skyrim am Allerwertesten vorbei?

Keine Ahnung, ich weiß es nicht. Ich sollte diese Spiele theoretisch gut finden müssen!

Sicherlich, es gibt wichtigere Dinge auf der Welt, die einer Antwort bedürfen. Ich würde es trotzdem gerne wissen. Was ist das für eine Geheimzutat, die hier tief eingeatmet und dort schmerzlich vermisst wird?

Veröffentlicht in Retro

68 Kommentare zu „Theorie und Praxis

  1. Gut, aber das ist halt das Wesen der Sandbox-Spiele. In die Welt reingehen, Mod benutzen ohne Ende und alles machen, was einem in den Sinn kommt.

    Mein stärkster Kritikpunkt bei allen Sandbox-Games, die ich kenne, ist die mangelnde Konsequenz solcher Aktionen. Wenn ich als frauenmordender Serienkiller herumlaufe, ist es programmiertechnisch nicht zuviel verlangt, dass mir der Boden unter den Füßen heiss wird; dass Leute mich meiden; dass Wachen mich beäugen; dass irgendwann bei n=x gemordeten Frauen die Statdwache der umliegenden Dörfer plus diverse Kampfmagier meine Behausung belagern, um mich zur Strecke zu bringen usw.

    Das macht halt ein gutes RPG aus.
    Aber natürlich—Oblivion, Fallout 3 und Skyrim sind keine RPGs.

  2. Ich würde es nicht nur darauf zurückführen, dass wir alten Säcke die Spiele von früher durch die nostalgische Brille betrachten (das tun wir natürlich auch, o süßer Vogel Jugend…).
    Vieles, was ich früher wochenlang durchgespielt habe und fesselnd fand, spiele ich jetzt noch manchmal an und denke: Naja, reisst mich nicht mehr vom Hocker.
    Man kann es natürlich auch so betrachten, dass wir sehr viele Spiele kennen und anspruchsvoll geworden sind. Wir setzen einfach voraus, dass die Spielentwickler von heute (MINDESTENS) ähnliche Erfahrungen haben und Bewährtes weiter zu VERBESSERN versuchen.
    Stattdessen habe ich oft den Eindruck, dass nur die Qualität der Grafik in Richtung Fotorealismus voranschreitet (und zwar mit abflachender Kurve), alle anderen Qualitäten, durch die sich ein Spiel von einem, sagen wir, Kinofilm, unterscheidet, werden aber oft stiefmütterlich behandelt.

    Ich bin ja wohl mittlerweile berüchtigt für die Vergleiche, die ich anführe:
    Wäre ein Spiel ein Auto, bekomme ich heute oft ein Fahrzeug mit eleganter Karosserie und Alufelgen, aber der Motor läuft nur auf drei Zylindern, muss noch ein paar Mal in die Werkstatt, die Kiste erreicht letztendlich trotzdem eine höhere Geschwindigkeit, verbraucht aber auch doppelt soviel Sprit, passt nicht mehr in die Parkbucht vor meiner Wohnung, adäquate Bremsen wurden als unwichtig erachtet und daher nicht eingebaut, und auf Extras, die das Fahren angenehmer machen, wie Servolenkung und ABS, wurde verzichtet.
    Der alte Ford Capri hatte wenigstens Charakter.

    In den 90ern habe ich bei Spielen so manche Macke verziehen, weil es technisch einfach nicht machbar war.
    Aber heute, da nahezu alles machbar ist?

  3. Es ist die Belanglosigkeit die seit Jahren das Genre der RPG vergiftet. Dieb, Gutmensch, Mörder,Weltenretter, mach was du willst wann und wie du willst. Iteminflation aus dem Zufallsgenerator (extrem in diesem binären Müllhaufen Two Worlds1+2). Ansprüche wie RTL an die Zielgruppe der 14-49jährigen, was Komplexität und Gameplay betrifft. Und vorallem Fast Paced! When you press a button, something awesome has to happen (Bioware über Dragon Age 2 )!

    Nein, das hat nicht mit dem Alter der Spieler zu tun, es hat mit der „Entwicklung“ der Branche zu tun. Origin We Create Worlds, das waren Puristen und Künstler mit GANZ(!) anderen Ansprüchen an Computerspiele, als das heute der Fall ist.

    Rennrad fahren ist meine Lösung, Abtauchen und Abenteuer erleben geht mit dem Dreck der letzten Jahre nicht. Ausnahmen bestätigen die Regel….

    Best
    ZappasGhost

  4. Belanglosigkeit…
    Ich stimme Dir uneingeschränkt zu.
    Deswegen sehe ich auch so gut wie nie fern.
    Am PC spiele ich nur noch, wenn ich mich mit Freunden zum kooperativen Spiel online verabrede.
    Zum Spielen ist mir die Zeit mittlerweile meist zu schade, bei dem, was an Spielen geboten wird.

    Ich schätze, das ist auch der Grund, warum ich mir auf meine alten Tage selbst das Scripten beibringe und versuche, mit der Neverwinter Nights-Engine mein eigenes Spiel zu machen.

  5. Was wohl passieren würde wenn man Ultima 7 mit den Möglichkeiten von Skyrim rekonstruieren könnte ? Riesenerfolg oder grosse Ernüchterung ? Wir werdens wohl nie erfahren, zum einen wegen der Rechtslage, zum anderen wegen der schieren Ausmasse eines solchen Unternehmens- es würde vermutlich einige Jahre dauern die komplette Saga umzusetzen. Sehr schade. Aber wer weiss, vielleicht spezialisiert sich irgendwann ein halbwegs kompetentes Team auf Rollenspiel-Perlen-Modernisierung.
    Tatsache ist, dass ich die Ultima- Reihe geliebt habe- aber heute würde ich mir diesen Pixelmatsch nicht mehr antun wollen, da haben mich Skyrim und Co schon verdorben.

  6. Kommt drauf an, ob von den NPCs entdeckt wird, dass Du das warst…

    Was mir auch Sorgen macht ist, wie man überhaupt auf die Idee kommt. 😀
    Angst…

  7. Man könnte ja auch Mittelerde mit der Skyrim-Engine umsetzen. Warum macht das keiner? FÜr mich ein Rätsel… wäre doch ein sicherer Hit.

  8. Oh ja, Ultima 7… schön… 🙂
    Die Sache mit dem Brot backen wird ja unermüdlich wiederholt, wann immer es um dieses Game geht. Das war es dann aber auch schon weitestgehend mit dem Crafting, das nur am Rande.
    Einen guten Teil des Charmes von Ultima macht aber auch seine Unzugänglichkeit aus. Man musste sich sein Spielerlebnis sozusagen verdienen. Man kann Ultima gar nicht „casual“ spielen. Da muss man sich richtig einarbeiten. Questlog? Von wegen – selber aufschreiben ist Pflicht. Ohne Britannische Runen zu lernen, kann man kein einziges Schild entziffern. Hat man diese Hürde genommen, steckt man schon tiefer in der Fantasiewelt drin, als man in anderen Spielen jemals sein wird.

  9. Ich beziehe mich jetzt auf Mitch’s Kommentar darunter:

    Für mich war ehrlich gesagt der Ofen aus, was Skyrim betrifft, als ich auf YouTube gesehen habe, wie einer den anwesenden NPCs Kochtöpfe über die Köpfe stülpt, damit sie nicht sehen, wie er sie beklaut.

    Was mir noch mehr Sorgen macht, ist, dass diese Rubrik „Sex in Skyrim“ heisst…

  10. Ich gestehe, ich mag Bethesdas Spiele. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich bei RPG nicht ganz so hardcore-mäßig drauf bin und mich ellenlange Statistiken etc eher abschrecken. Yup, die Stories sind eher dünn und und die Welt geht einem ein Stück weit am Allerwertesten vorbei, weil die Konsequenzen fehlen – aber irgendwie hat es für mich seinen Reiz, durch Skyrim zu gondeln, mal eben noch die Höhle auszuräuchern, das Buch/die Waffe auftreiben und dabei wieder in die nächsten zwei Quests zu stolpern. Vielleicht kommt es ja auch darauf an, was man erwartet. Steht man doch eher auf klassische RPG ist man bei Skyrim sicher enttäuscht, keine Frage. Ich will einfach ein wenig entspannend durch die Gegend gondeln und das bekomme ich mit Skyrim auch.

    Übrigens ist New Vegas ganz sicher das bessere Fallout 3. Selbst ein riesen Fan der alten Spiele fand ich Fallout 3 keinesfalls so schlecht, wie es von einigen Leuten gemacht wurde. Aber bei New Vegas merkt man doch, dass da Leute dransaßen, die selbst Liebhaber der alten Spiele sind und diese gut kennen. Vor allem und unbedingt empfehlenswert ist es hier, mit dem „Wild Wasteland“ perk zu spielen, mit dem noch einmal viel vom alten Fallouthumor ins Spiel gepackt wird.

  11. Schon gut, alter Spötter 😛
    Schön,wahrscheinlich wäre es für einen (angenommenen) Publisher eine Katastrophe, Ultima ist ein sperriges altes Monster das so gar nicht zu unserer leichtverdaulichen Hochglanz-RPG-Mode passt.
    Träumen sollte trotzdem erlaubt sein…

  12. Du bist ein hoffnungsloser Nostalgiker – das ist alles. Ich habe U7 erst letztes Jahr komplett durchgespielt – es war eine Offenbarung, aber Fallout 3 und Skyrim sind in allen belangen konsequent fortgeschritten.

    In Ultima 7 schon mal versucht, Items zu Geld zu machen (ausser Nuggets)? Geht nicht. Was uns an Ultima fasziniert ist die Lore, die Welt, die Figuren, die sich durch die Serie zieht. Im Endeffekt ist es aber ein tolles Grafikadventure mit RPG-Anteilen.

    Ich bin sehr zufrieden auch wieder mit Skyrim – und sehe in den Bethesda-Spielen seid Morrowind die inoffiziellen Ultima-Nachfolger. Bethesda-Mastermind Todd ist übrigens auch bekennender Ultima-Fanatiker.

  13. Blasphemie!!!
    Genauso könnte man behaupten der Mensch stammt vom Affen ab.
    Wenn du Items verkaufen willst spiel halt Ultima VI.

  14. Oh, ich bin ein Riesen-Ultima-Fan. Ich habe sie alle ab Ultima 4 komplett in meiner Sammlung, mit allen drumm und drann.

    Ich habe sogar Lazarus und das U6-Mod durchgespielt 🙂

    Das ändert aber nix drann, dass U7 ein Adventure ist 🙂 Und zwar ein sehr gutes.

    Das Problem von Harzach ist, er nimmt sich nicht mehr die Zeit, ein Spiel richtig zu geniessen…

  15. Hm, die Welt von Skyrim und Morrowind ist aber in keinster Weise die selbe 😉 , sondern quasi ein Nachbarland, ebensowenig sind die Bewohner die gleichen (vielleicht noch die Völker).

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