Unter dem Radar: Krater

Als mir vor einigen Tagen die Info-Mail zum Indie Royale “Evolved”-Bundle in die Mailbox flog, war es wieder an der Zeit das Paypal-Konto zu zücken, mich um einige Euro ärmer und um einige nette Spiele reicher zu machen. Diesmal bin ich in erster Linie wegen “Krater” schwach geworden.

krater_01[3]

“Krater” stammt von Fatshark, einem kleinen Studio aus Stockholm, die so mancher vielleicht von “Hamiltons Great Adventure” oder “Lead and Gold” kennt. Bei Fatshark sitzen einige altgediente Veteranen aus Grin-Tagen, wo man schon für Ubisoft an zwei Ghost Recon-Spielen gewerkelt hat. Also alles keine Anfänger. “Krater” machte mich schon im Vorfeld neugierig, zum einen wegen des Settings (Fallout nicht im wüsten Westen der USA, sondern im nordischen Norden Skandinaviens) und zum anderen, weil es eine Art squad-basiertes Hack & Slay sein wollte.

Krater erschien letztes Jahr auf Steam und war … als höflicher Mensch würde ich sagen: Irgendwie noch nicht so fertig. Die Performance meiner damaligen Testversion war nicht berauschend, das Spiel wirkte unrund und stückwerkhaft. Es fehlten zudem einige Features wie zB. der Coop-Modus. Die Reviews zu Krater waren deswegen durch die Bank weg nicht sonderlich berauschend. Vielfach wurde zwar das Potential gelobt, aber der mangelhafte Releasezustand bedauert. Jetzt, ca. ein Jahr später, schien das Spiel aber soweit fertig zu sein. Also, warum nicht? Zudem das Indie Royale Bundle ja die Möglichkeit bot eine Steam- und somit DRM-freie Version zu ergattern. Nun, das mit Steam- und DRM-frei war, irgendwie, ähh, nicht ganz so Steam- und DRM-frei, wie ich erhofft hatte, gab es auf der Download-Seite doch nur einen Steam-Key. Hrmpf, ok, na gut … egal. Bei nur etwa 8 Euro für eine Handvoll netter Spiele will ich nicht so kleinlich sein.

Immerhin startete und lief und wirkte “Krater” doch deutlich runder, besser und fertiger als bei meinem ersten Eindruck vor 12 Monaten. Ich absolvierte das Tutorial und erfüllte meine erste Mission und dann noch eine und dann noch eine und dann war es Zeit meine Squad-Mitglieder aufzurüsten und dann gab es noch das Fertigkeitensystem auszuprobieren und dann war da noch dieses und jenes und ehe ich es mich versah, waren so einige Stunden wie im Fluge vergangen.

Holla! “Krater” macht ja richtig Laune. Was für eine angenehme Überraschung.

 

The Good, The Bad, The Ugly:

• The Good:

Handeln wir die Optik zuerst ab. “Krater” sieht hübsch aus. Gelungenes Art Design und eine leistungsfähige Engine, deren Unschärfe-Shader endlich so eingesetzt werden, dass ich kein Kopfweh bekomme, weil niemand versucht Unschärfe dort zu erzwingen, wo man (ich) normalerweise seinen Blick fokussiert, sondern dort, wo es auf Grund menschlicher Sehgewohnheiten eben etwas undeutlich wird. Die Performance ist flüssig, der Bildaufbau flutscht nur so dahin. Die Ortschaften stecken voller Details, inklusive so offensichtlicher Gags wie dem Dorfarzt, einem gewissen Dr. Alban. Haha! Bartwickelmaschine usw.

krater_05krater_07krater_08

Der Soundtrack stammt (glücklicherweise?) dann doch nicht von ihm, sondern von einem anderen begabten schwedischen Künstler namens Christian Gabel.

Die Dungeons sind atmosphärisch und das Unschärfe-Feature verleiht der “flachen” isometrischen Ansicht ein überzeugendes Gefühl von Tiefe. Sehr fein gemacht. Während eines Kampfes ballert und kloppt die Party flüssig animiert und hinterlässt entweder blutige Klumpen oder regungslose Fleischsäcke, ohne dass die Gewalt aber zum Selbstzweck ausartet.

krater_13

Verlässt man eine Siedlung, befindet sich die Party auf einer dreh- und zoombaren Übersichtskarte, wo man à la Fallout entweder direkt auf das nächste Ziel klickt oder etwas Sightseeing betreibt und die Gegend erkundet. Mit den statischen Screenshots kommt es nicht so sonderlich gut rüber, aber wenn man die Karte dreht und wendet und kippt und zoomt, wird durch einen erneut klug eingesetzten Unschärfeeffekt sehr gut der Eindruck großer räumlicher Tiefe erweckt. Man denkt sich: Woah! Da gibt’s ja noch einiges zu entdecken!

krater_12

Während der Reise zu einem fest definierten Ort oder während eines ziellosen Spazierengehens kommt es zu Zufallsereignissen und die Party betritt eine Minimap, auf der entweder handlungsrelevante Ereignisse stattfinden, man gegen eine Rotte wilder Tiere oder unfreundlicher Mitmenschen antritt oder man stößt mitten im Wald auf einen Händler, der seltene Waren feilbietet. Betritt man einen Dungeon oder eine Dungeonebene erneut, so ist sie a la Zelda wieder brav mit allerlei Getier und Gewürm zum Metzeln und Looten gefüllt. Wer will, kann hier Stunden mit endlosem Gegrinde verbringen.

krater_09

Auf dem Schwierigkeitsgrad Einfach laufen die Kämpfe so harmlos automatisch ab, dass ich kurzerhand ein neues Spiel auf Schwer beginne. Beim ersten Mini-Bösschen bekommt meine Party aber die Hucke voll und ich starte ein drittes Mal, diesmal auf Normal. Vielleicht sollte ich mich erst mit den Gameplay-Mechaniken vertraut machen, bevor ich nur mit einem Zahnstocher gegen meterhohe mutierte Bären antrete.

krater_10

Viel klicken muss man nicht, die Party kämpft relativ vernünftig von alleine, sobald ein Feind in Reichweite kommt. Auf der Zahlenreihe Eins bis Sechs liegen zwei Hotkeys für je zwei Spezialfähigkeiten der Squad-Member. Der Nahkämpfer rundumt den Gegner mit einem Rundumschlag oder provoziert stärkere Gegner, die unklugerweise schwächere Fernkämpfer oder Heiler attackieren. Der Heiler heilt sofort ein klitzeklein wenig oder kanalisiert seine Heilwirkung während eines Kampfes auf ein bestimmtes Squad-Mitglied. Der Fernkämpfer kann Gegner kurz mit Elektroschocks schocken oder Gegner verlangsamen, damit der Nahkämpfer eventuell mehr Zeit hat sich besser in Position zu bringen. Das alles findet in Echtzeit statt. Die linke Hand liegt dabei auf der oberen Zahlenreihe und löst hier und dort Fähigkeiten aus, mit der rechten Hand via Maus wählt man einzelne Gegner aus, wenn man die Party nicht automatisch kämpfen lassen möchte oder Squaddies werden einzeln selektiert, wenn man zB. gezielt Sonderaktionen ausführen möchte oder man schickt die Party zusammen durch die Gegend. Einige Hotkeys beschleunigen die Angelegenheit. Zuerst wirkte das ein wenig krude und hackelig, doch schnell hat man den Dreh raus und beschränkt sich auf das nötigste Klicken. Also keine Gefahr einer Sehnenscheidenentzündung a la Diablo-Style.

Charakterwerte werden automatisch aufgelevelt, je nach Klasse des Squad-Mitglieds. Eine Individualisierung findet bei “Krater” über Booster und Implants statt. Mit Boostern kann man die Spezialfähigkeiten ausbauen (zB. höherer Schaden oder effektivere Heilung) und Implants verbessern Charakterwerte. Je höher der Charakterlevel ist, desto mehr Booster- und Implant-Slots werden freigeschaltet. Das ist alles nicht sonderlich aufwendig und kompliziert, aber abwechslungsreich genug, weil man natürlich hofft im Loot neue Items zu finden, mit denen man seine Squad “tunen” kann, was im Gegensatz zu so manch anderem Spiel dann auch tatsächlich stattfindet. Zusätzlich gibt es noch ein kleines Craft-System, mit dem man bessere Ausrüstung oder später eigene Booster oder Implants zusammenbasteln kann.

krater_16

Im späteren Spielverlauf kann man andere Squad-Mitglieder anheuern, die anderen Klassen angehören und neue Fähigkeiten und Spielweisen mitbringen. Inwieweit sich dadurch das Gameplay ändert, ob man mit verschiedenen Klassenkombinationen in der Squad auch unterschiedliche Spielweisen bekommt, kann ich derzeit leider noch nicht sagen.

Und weil das Spiel von den Nachkommen irrer Wikinger entworfen wurde, kommt es auch ziemlich entspannt und locker daher. “Krater” nimmt sich zu keiner Sekunde allzu Ernst, so dass die bemühte und unlockere Angestrengtheit, wie sie zB. alle Bethesda-Spiele aufweisen, den Spielspaß nicht schon nach wenigen Minuten abtötet.

• The Bad:

Auch wenn der Soundtrack viel zur besonderen Atmosphäre von “Krater” beiträgt, so wirken Kampfgeräusche und Ambientsounds blass und dumpf. Oder sie werden hin und wieder abgehackt ein- und ausgeblendet. Sonderlich störend ist es nicht, aber sonderlich gut ist es ebenso wenig.

Und dummerweise muss ich feststellen, dass mich das Loot-All-Feature von Dungeon Siege oder Sacred ziemlich verwöhnt und faul gemacht hat. Ich muss doch tatsächlich auf jedes flirrende Loot-Symbol klicken, um meinem Sammel- und Bereicher-Trieb nachgehen zu können. Zugegeben, “Bad” ist das nicht, nur lästig, wenn man sich zu sehr an gewisse Komfortfeatures gewöhnt hat.

Frei speichern kann man nicht. Das Spiel speichert den Spielfortschritt der Squad automatisch, beim Neuladen oder nach einem peinlichen Wipe stehen die Jungs wieder am Startpunkt der zuletzt geladenen Map. So wirklich störend ist auch das nicht, ich bevorzuge dennoch eine andere Art Savegame-System.

• The Ugly:

Hmmm, ganz ehrlich, beim besten Willen, so richtig misslungen ist zumindest bei der aktuellen Version von Krater nichts. Nein, tatsächlich nichts. Es gibt nur ein paar kleine Nervlichkeiten, aber das war es dann auch.

• The Executive Summary:

“Krater” macht Spaß. “Krater” ist ein unkomplizierter Hack & Slay-Spaß mit zT. beeindruckenden Produktionswerten, einer locker-lässigen Atmosphäre und einem simplen, wie auch eingängigen Gameplay. Witzigerweise, wenn ich so darüber nachdenke, weist “Krater” in etwa einen ähnlichen Komplexitätsgrad wie Diablo III auf. Während mich Diablo III aber gewaltig ankäst, so verzückt mich “Krater”. Es mag daran liegen, dass bei “Krater” alle Spielelemente ein schönes, stimmiges Gesamtpaket ergeben und es auch kein Krater 1 oder 2 gibt, die spielerisch um Längen besser als “Krater (3)” waren. “Krater” ist nur das, was es ist. Ein kleines, witziges und unspektakuläres Hack & Slay. Nicht so gut wie zB. Torchlight 2, aber gut genug, um viel Freude daran zu haben. Auf jeden Fall spaßiger und um Lichtjahre cooler als dieses Möchtegern-Gothic-Düster-Bruhaha namens Diablo III.

18 Kommentare zu „Unter dem Radar: Krater

  1. „Während mich Diablo III aber gewaltig ankäst, so verzückt mich “Krater”. Es mag daran liegen, dass bei “Krater” alle Spielelemente ein schönes, stimmiges Gesamtpaket ergeben und es auch kein Krater 1 oder 2 gibt, die spielerisch um Längen besser als “Krater (3)” waren.“

    Ich glaube, das liegt bei mir daran, dass ich bei Diablo III halt so enttäuscht bin, weil ich mir immer wieder sage, dass das die Leute sind, die eigentlich wissen müssten, wie es geht…
    Und die mich jetzt absichtlich verarschen wollen..?

    Dann lieber Geld für Krater ausgeben.

  2. Die Leute, die wissen müssten wie das geht, die sind aber nicht mehr bei Blizzard.

    Darum ist DIII halt so wie es ist und darum ist ein Torchlight 2 so um unglaublich viele Klassen besser. Deswegen hat Krater ein deutlich besseres Preis/Leistungs-Verhältnis und was ich vorhin kurz von Path of Exile angespielt habe, auch das ist besser als DIII.

  3. Ok, das hat mich jetzt auf jeden Fall neugierig gemacht, ich werds mir bei Gelegenheit auch mal angucken. 🙂

  4. Ja, das hätte ich mir auch längst gekauft, leider gibt es das nicht für mein Betriebssystem. Wird wohl doch langsam mal Zeit für ein neues Windows, hrmpf…

  5. Hättest du das mal früher geschrieben. Hab auch überlegt beim Indie Royale Bundle wegen Krater zuzuschlagen. Unmechanical hab ich schon und der Rest hat mich nicht so interessiert. Aber dann erinnerte ich mich wieder an die Berichte wie unfertig es sein soll und ich hab’s gelassen. Jetzt ist das Bundle leider schon vorbei. Naja, der nächste Steamsale kommt bestimmt. Bis dahin bin ich eh noch mit dem ersten Torchlight beschäftigt was ich vor kurzem begonnen habe. Pile of Shame und so…

  6. Na, meine leider inzwischen sehr gespaltene Meinung zu Krater habe ich ja schon zwei Artikel weiter unten kundgetan. Schon schade, dass einem der Spaß an einem derart charmanten Spiel auf Grund eines einzigen (im warsten Wortsinn) kleinen Details so gründlich vermiest werden kann.

  7. Fontgröße finde ich noch akzeptabel. Aber arg viel kleiner dürfte es nicht sein.

  8. Ich spiele Krater auf einem 23″ Monitor und habe selbst mit der niedrigsten Auflösung Probleme beim Lesen. Das Spiel ist definitiv nichts für Menschen mit Sehschwäche.

  9. Neulich bei „Silversword“: Rätsel-vor-magisch-verschlossener-Tür-voller-Klunker:
    „Mondain was first, then Minax came. What sibling is third to blame?“
    Harhar, ich wusste doch: eines Tages würden sich die vielen durchwachten Nächte auszahlen. Spoony hätte einen Herzinfarkt gekriegt.

    Silversword ist ein primitiver Bard´s Tale- Verschnitt, ein Ein-Mann-Projekt. Trotzdem macht mir das Ding Spass wie schon lange kein Spiel mehr. Kommentar meiner Kinder: „Da passiert ja gar nix ! Und in ENGLISCH !“ (das „Mama, Papa ist übergeschnappt !“ haben sie sich noch rechtzeitig verkniffen, das hätte womöglich WoW-Verbot gegeben).

    Leute, was stimmt nicht mit uns ? Wissen wir all den Aufwand für Millionenprojekte wie D3 nicht mehr zu würdigen ? Was ist aus Boah, Ey wie Geil, Krass und seinen Kumpels geworden ?
    Anscheinend sind wir irgendwann an die Technische-Begeisterungs-Grenze gestossen, dagegengeknallt, abgeprallt und ins zwanzigste Spiele-Jahrhundert zurückgeschmissen worden.

    In diesem Sinne: viel Spass beim kratern.

  10. Mit uns ist alles in Ordnung! 🙂

    Anscheinend sind wir irgendwann an die Technische-Begeisterungs-Grenze gestossen, dagegengeknallt, abgeprallt und ins zwanzigste Spiele-Jahrhundert zurückgeschmissen worden.

    Das Leben verläuft in Zyklen. Der kleine Sohn von Bekannten sitzt vor Minecraft, am Notebook der Mutter. Sein Vater zockt derweile CoD alleine im Wohnzimmer, weil Sohnemann dabei schnell langweilig wird, weil man in CoD nix bauen kann.

  11. Kann ja mal passieren. Ich meinte auch tatsächlich Silversword, kann nur irgendwie da oben nicht mehr auf deinen Post antworten.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s