Da mein Durst nach Hack & Slay nie gestillt werden kann, habe ich mir eines Tages endlich Sacred 2 vorgenommen. Schon oft angefangen, aber nie weit gekommen. Es war nie der passende Zeitpunkt dafür, es kam immer wieder was dazwischen … sprich, das Spiel hat mich nie gepackt.
Jetzt aber, jetzt ist es wohl soweit. Mein Charakter levelt und schnetzelt sich seit Stunden durch Piraten, Goblins und missmutige Bären. Die Story und Hauptquest habe ich mittlerweile wieder vergessen, aber das ist bei dieser Art Spiel nicht so tragisch, kommt es doch nur auf halbwegs passabel umgesetztes Monster totklicken, Looten und Leveln an. Das klappt auch wunderbar und geht recht gut von der Maushand.
Rein optisch hat man keine Unkosten gescheut und setzt meinen Char in eine schicke 3D-Welt mit frei drehbarer Kamera. Da raschelt das Laub höchst akkurat Dank Physx-Unterstützung, Gegner purzeln gar lustig durch die Gegend und große, begehbare Gebäude protzen mit prächtiger, komplexer Architektur und netten Lichtbrechungseffekten, wenn mein Char durch gewächshausähnliche Fluchten schreitet. Und weil Sacred 2 mittlerweile auf halbwegs aktueller Hardware gut läuft und auch halbwegs fertig gepatched wurde, gibt es keine großartigen Unterbrechungen des Spielflusses durch Bugs und sich dann die letzten Haare vom Schädel raufende Spieler. Die Detailfülle der Welt ist ungeheuerlich, die darin steckende Arbeit muss Abertausende von Mannstunden umfassen. Selbst in Kapitel Drei stoße ich immer noch auf allerlei schnuckelige und liebevoll in Handarbeit designte Dörfer und Landschaftsdetails. Hölle! Hübsch ist gar kein Ausdruck!
Dennoch … ich habe Mühe mich an das Spiel zu gewöhnen. Das Gameplay ist für ein Hack & Slay eigentlich viel zu langsam. Und das liegt nicht an meiner tatsächlichen Bewegungsgeschwindigkeit im Spiel oder dem Hacken & Slayen der Gegner in Relation zur Spielweltgröße, sondern an dem Umstand, dass man eine höchst seltsame Kameraperspektive gewählt hat. Ich kann es nicht logisch begründen, aber mein Kopf interpretiert das Geschehen am Bildschirm als LANGSAM.
Ich sehe die Welt und meinen Char fast aus einer Topdown-Ansicht. Den für mich richtigen Winkel bekomme ich nicht einmal dann, wenn ich ganz nah heranzoome, so dass ausser dem Char und seiner unmittelbaren Umgebung in Armlänge nichts weiter zu sehen ist. Der Kamerawinkel ist mir immer noch viel zu steil. Und weil ich von der sehr hübschen Welt deswegen nur sehr wenig sehe, habe ich das Gefühl mich im Schneckentempo durch Ancaria zu bewegen. Ich kämpfe ständig gegen das Gefühl in den Bildschirm greifen zu müssen, um die Kamera höher zu kippen, damit ich eine anständige Sicht dieser eigentlich sehr hübschen Welt bekomme. Sicher, man kann sich daran gewöhnen. Der Mensch kann sich an alles gewöhnen. Aber ich will mich nicht daran gewöhnen. Weil es nervt.
Zum Glück bin ich nicht der einzige, dem es so geht. Mangels entsprechender Coding-Kompetenzen bin ich doch sehr dankbar, dass es Leute gibt, die über die entsprechende Muße und Kompetenz verfügen, um nicht nur angenervt in den Bildschirm zu starren, sondern Abhilfe schaffen. Es gibt Tools für Sacred 2, die genau dieses Manko beheben sollen.
Und siehe da, et wuppt!
Ich kann die Kamera so weit nach unten kippen, dass ich bei maximalem Zoomlevel fast eine ThirdPerson-View bekomme. Es klingt komisch, aber genau dadurch spielt sich Sacred 2 endlich in einem einigermaßen akzeptablen Tempo, obwohl sich außer der Kameraperspektive kein anderer Parameter geändert hat. Ich hinterfrage diesen eindeutig subjektiven Aspekt meiner Sinneseindrucksverarbeitung nicht weiter und kloppe mich in den nächsten Stunden weiterhin durch blühende Landschaften.
Später fällt mir ein, dass es damals eine Art HighRes-Texture-Pack gegeben hatte, in dessen Genuß die Käufer der Collectors Edition gekommen waren. Das Texturepack mit knapp 7.5 GB Umfang gibt es mittlerweile offiziell zum freien Download, ich habe diesen Mirror benutzt. Ging relativ fix. Bevor man sich die Mühe aber macht, ein Wort der Warnung. Weder bleiben einem nach Installation vor Staunen die Münder offen, weil man schon mit der Lupe hinschauen muss, um die höheren Texturendetails bemerken zu können und zum anderen fällt die Laufstabilität des Spieles bei Verwendung des Texturepacks ins Bodenlose. Das Texturepack wurde nie gepflegt, nie aktualisiert und mit späteren Versionen abgeglichen, die Verwendung mit der Goldversion erfolgt daher auf eigene Gefahr. Ich habe dieses Feature nach einer Stunde wieder abgeschaltet. Es rentiert sich nicht wirklich.
Mit Elite Texture Pack. Der helle Wahnsinn, nicht?
Und weil es, wie bei Sacred üblich, auch in der Goldversion noch eine ganze Reihe von vor allem Questbugs gibt, installiere ich nachträglich noch den aktuellen Communitypatch, der, so mein Verständnis, wohl teilweise von Ex-Ascaron-Entwicklern in ihrer Freizeit bereitgestellt wurde. Nebst den dringend nötigen Bugfixes enthält dieser Patch auch jede Menge neuer Items, die jedoch nicht gerade im Sinne eines mit dem Hauptspiel konformen Art Designs entworfen wurden. Und so kleidet sich mein Char in einen gräuliches Sammelsurium aus Original-Design und neuen Fun-Items. Da mischen sich fein ziselierte Brustpanzer mit dicken Rüstungsplattenstiefeln, die man direkt aus dem Unterleib einer japanischen Gundam-Kampfmaschine geschnitten hat. Für den Kopf gibt es grellbunte Motorradhelme und anstatt dass sich meine Seraphim in stilechte, hautenge Lack- und Lederkostümchen zwängt, trägt sie nun oliv-braun gefleckte Flak-Jacken direkt vom US-Army-Ausstatter. Da fällt es dann auch nicht weiter ins Gewicht, dass sie seit einer Weile das Lichtschwert eines Sith-Lords schwingt, samt dazu passenden *brzzzt* *smmmmbrmmm* Soundeffekten.
Ich denke mir irgendwann nur: “Ach, fuck it!”, gehe zum Kühlschrank, hole mir ein neues Bier und spiele weiter. Weil, ganz ehrlich, es passt zu Sacred 2, welches im Gegensatz zum Vorgänger diesmal sehr starke SF-Elemente aufweist. Techno-Magie meets Steampunk, dreimal wüst mit dem ganz dicken Löffel umgerührt, das ist so der erste Eindruck vom Art Design des Spieles. Ein kunterbuntes Durcheinander von Ideen und Stilen, ohne großartige Hintergedanken, ob das jetzt zur Lore oder zum Setting wirklich passt oder nicht. Auch ohne die neuen Items des Community-Patches. Da ist es dann auch irgendwann egal, dass ich mit der flammenden Gitarre des Lead-Gitarristen von “Blind Guardian”, einer alles mit passenden Soundeffekten niederschrammelnden Zweihandwaffe, durch die Gegend ziehe. Jack Black-Style! Ja, das war so original im Hauptspiel vorhanden. Kein DLC, kein Fan-Mod.
Noch mehr als der Vorgänger, so nimmt sich Sacred 2 überhaupt gar nicht mehr ernst. Die eigentliche Story des Spieles geht vollkommen in einer Myriade von Easter Eggs und mal mehr oder mal minder gelungenen Gags unter.
Aber wie bereits gesagt: “Ach, fuck it!”. Ich habe einen perversen Spaß an diesem Trash-Hack & Slay. Sacred 2 ist kein schlechtes Spiel, bitte nicht missverstehen. Es ist rein von der Summe seiner Features eigentlich ein ziemlich gutes Spiel. Doch leider ist es dem Team nicht gelungen aus einem riesengroßen Haufen zum Teil atemberaubender Arbeit ein kohärentes Ganzes zu machen. Je länger man Sacred 2 spielt, umso mehr spürt man eine unterschwellige “Ach, fuck it”-Stimmung, die dem Spiel aus jeder virtuellen Pore tropft. So als ob die Entwickler irgendwann eingesehen haben, dass sie es nicht schaffen mit vertretbarem Arbeitsaufwand aus diesem Clusterfuck an Features ein in sich geschlossenes Ganzes zu schaffen. Und dann einfach nach Lust und Laune Inhalte in die Landschaft geklopft haben, weil es jetzt sowieso egal war, ob das alles noch zusammenpasst. Nein, Sacred 2 ist kein schlechtes Spiel. Es zählt jedoch zur Kategorie der “Denk nicht weiter drüber nach, nimm Dir noch ein Bier und spiel einfach weiter”-Titel, die höchst charmant und unterschwellig oder ganz platt und direkt ihr Trash-Ambiente zur Schau tragen.
Sacred 2, das ist wie “Johnnys PS-Stube” unter den edlen Restaurants von Torchlight, Titan Quest oder Diablo. Es gibt was zu Trinken, was zu Essen, aber es stört auch niemanden so wirklich, wenn sich am Tresen die üblichen Suffgesichter wie Schilf im Wind schwankend durch die Nacht trinken. Weil es ums Trinken geht und um nichts anderes.
Sacred 2. Das Spiel für Hack- & Slay-aholics!
hm. das macht ja lust, das teil nochmals zu installieren, nachdem es bereits mehrfach von der platte gefegt wurde (mit insgesamt gefühlten 45 min gesamtanspielzeit).
das mit der kamera einstellung klingt spannend. mal probieren, ob das auch meiner motivation einen kick gibt, mal mehr zu erkunden.
greez,
h.
Von allen Themen musstest du wieder die Kamera ansprechen??
Ansonsten teile ich deine „Bewertung“ und kann dir aus meiner Sicht mit der Haltung der Devs recht geben. 😉
Das Sammelsorium von Gegenständen war allerdings auch vor Patch schon da. Gerade die Sera hatte immer schon japanisch angehauchte Techniksachen. (Muss an der Vorlage liegen).
Hmm, damals hatte ich das mit der tiefen Kamera aus dem Grund nicht versucht. Allerdings fürchte ich, dass Sacreds und Sacred 2s Probem mit mir damit auch nicht gelöst wird.
Es ändert nichts am fast nicht vorhandenen Fluss des Skills und den 5 Zillionen leerer! Sackgassen, etc. pp.
Was ich heute noch schade finde, denn in Sacred steckt so viel Liebe der Jungs und Mädels…
Jepp. Wie gesagt, die Liebe zum Detail in diesem Spiel ist ungeheuer. Im Vergleich dazu ist ein Diablo oder Torchlight ein geradezu leerer, extrem linearer Schlauch-Schnetzler.
Sacred zeigt ganz wunderbar die Grenzen von zufallsgenerierten Umgebungen.
Aber auch die Grenzen einer festen Umgebung.
Mit einer der Gründe aus denen ich ein Torchlight eher und vor allem öfter spielen würde als Sacred.
Schlimmer ist allerdings, dass es mich eher reizen würde, mal wieder Sacred 1 zu spielen und das Grab meiner großen Klappe zu suchen, als in Sacred 2 das Blind Guardian Event freizuschalten.
So hübsch S2 ist, Sacred hatte für mich mehr Charme.
Sacred 1 war so ein schönes Spiel. Durch Burgen und Wälder zu laufen ist fast in keinem andern Spiel so schön gewesen. Hach… Und dann kommt Sacred 2 mit seiner bunten Kindergrafik. 😦
Wenn es Dir um schöne Burgen und Städte geht, das Greifenburg von Sacred 2 würde sich prächtig in einem großen, fetten Witcher-Game machen. Detailliert, gut texturiert und organisch „abwechlsungsreich“, wie man früher eben Städte in den Landschaft gebaut hat.
So ähnlich wie du das hier beschreibst hab ich es damals beim spielen auch erlebt. Aber ich hatte eine Menge Spaß mit der Entwicklung meines Charakters und den vielen, vielen Gags die die Entwickler im Spiel versteckt haben. Wer es noch nicht gespielt hat und auf Hack’n’Slay steht sollte es zumindest mal probiert haben.
PS: Was an Sacred toll ist, ist das Gefühl sich in einer großen Welt zu bewegen und nicht in Levels und Ebenen wie in anderen Hack’n’Slays.
Bitte schau niemals im Handbuch nach, ob jemand deiner regelmässigen Kommentatoren denn daran mitgewerkelt hat 🙂
Kurios: die CE liegt neben dem Schreibtisch, seit 4 Jahren, immernoch zugeschweißt, weil… ach, fuck it…
du hast voll ins Schwarze getroffen, es beschreibt die Stimmung während der Produktion am besten
Ich denke die ganze Zeit darüber nach ob ich das Spiel für die X360 holen soll. Angeblich lokaler Coop. DAS wär doch mal n gaudi. Dein Test zumindest macht mir Lust auf mehr. Ach…fuck it.
hab mich aufgrund dieses posts erinnert, dass i9ch das spiel auch noch im regal stehen habe. 14 GB installiert. 1,5 GB Patches geladen und installiert. spiel gestartet … seltsam ruckeliges intro mit audioaussetzern nach auswahl der seraphin erlebt. 2 minuten später absturz des spiels. 10 min. später war das spiel deinstalliert. Was zur hölle ist das für ein stück bananensoftware. mein rechner wurde im feb. 2012 neu angeschafft. sicher nicht das allerallerschnellste modell. aber die anforderungen dieses spiels schlagen dem fass den boden aus. dann lieber torchlight 2 oder bald grim dawn.
Technisch konnte ich größten Teil des Spieles sorgenfrei genißen, nur zum Schluß gab es ständig Abstürze. Nicht nur, dass man Sacred 2 anmerkt, dass der Produktionsleitung das Heft aus der Hand geglitten ist, genau dieses „Heft aus der Hand gleiten“ ist auch verantwortlich für den technischen Zustand, weil eine gescheite QA einfach nicht mehr mit den vorhandenen Ressourcen abgedeckt werden konnte. Oder man musste notgedrungen mit einer unperformanten Codebasis vorliebnehmen, weil es zu einer grundlegenden Korrektur zu spät war. Siehe Gothic 3 oder jetzt X – Rebirth. Kleines Team, viel zu großer Arbeitsaufwand, weil zu großer Happen abgebissen.
„Bitte schau niemals im Handbuch nach, ob jemand deiner regelmässigen Kommentatoren denn daran mitgewerkelt hat :)“ wieso nicht? 😀 😀
ihr dürft uns auch gerne hier joinen. http://www.facebook.com/studioII gibts viel blabla rund um das baby. hinter den kulissen, während dessen (was war, was vielleicht wird) usw. wir feiern schließlich 2014 10 Jahre sackrett:D 😀
Netter Bericht!
Jo Benny, am 25.03.2014 feiern wir mal ordentlich 10 Jahre Sacred 🙂
“ Nicht nur, dass man Sacred 2 anmerkt, dass der Produktionsleitung das Heft aus der Hand geglitten ist, genau dieses “Heft aus der Hand gleiten” ist auch verantwortlich für den technischen Zustand, weil eine gescheite QA einfach nicht mehr mit den vorhandenen Ressourcen abgedeckt werden konnte.“
Also an der QA lag es nicht, sondern eher das man Leitende Menschen hatte die von dem was sie machen hätten sollen, keine ahnung hatten, und nur unfrieden gestiftet haben. Und ja Sacred 2 hat viele Probleme, bedanken kann man sich auch durchaus dafür beim Publisher, ist der selbe wie bei X-Rebirth, aber eben nicht nur 🙂
Guter Artikel. Mir ist/war die Spielgeschwindigkeit von S2 auch immer eine Spur zu träge, S1 hatte ganz klar den besseren Flow. Über das Drama mit der Kamera spreche ich nicht mehr. Aber trotz allen Unbilden haben wir ein ganz brauchbares Spiel zusammengeschustert, dessen man sich nicht schämen muss.
Sacred 2 ist ein Spiel, bei dem man sich ständig der Fehler des Spieles bewusst ist und man dennoch komischerweise jede Menge Spass daran hat. Laut Steam habe ich hier jetzt über 90h reingesteckt und keine Sekunde bereut! Und zwar genau aus dem Grund, weil Sacred 2 eben so quirky und komisch und ungebügelt und „Ach, fuck it!“ ist. Sacred 2 ist wie ein Film der Coen-Brüder. Entweder man flüchtet schreiend aus dem Kinosaal oder man amüsiert sich königlich! Ein Dazwischen a la „Joahh, ganz nett und so“ gibt es nicht.
wer hat den herzzach bestochen? ich wars nicht! 😀
Nun ja, man muss mir schon mehr bieten als kostenlose Rezessionsexemplare *hint* *hint* *zaunpfahl wink* ;-P
@Marc: Die Spielgeschwindigkeit war einfach und gelinde gesagt sowas von Staubtrocken, dagegen war S1 ein Formeleinsrennen auf höchstem Niveau 🙂
Ich bin immer noch stolz was das Team bei Sacred 2 insbesondere im verlängerten Endspurt geschafft hat. Die Entwicklung bei Sacred 1 war besser organisiert und der Inhalt focussierter, was sich u.a. im besseren Spielfluss niedergeschlagen hat. Da bei Sacred 2 der gesamte Charakter- und Gegnercontent erst ganz zum Schluss hineinkam, blieb keine Zeit für irgendwelches Tuning. Ein Lob an Peter das die Strukturen so gut aufgebaut waren, dass soetwas wie ein Grobbalancing überhaupt noch möglich war. Ich bedauere, dass die Gegner so unsinnig viele Poligone hatten, dass leider schöne Massenschnetzeleien unmöglich waren.
@ seniorgamer. Woher habt ihr den Namen “ Johnny’s PS-Stube “ ?
Dat war nen schmierige Kneipe aus Studentenzeiten.