Als Anfang der 1980er in der Schule ein Informatik-Raum eingerichtet und ein Dutzend Rechner angeschafft wurden (sicher bin ich mir nicht mehr, aber es müsste sich um Commodore-Rechner aus der CBM-4000er-Serie gehandelt haben), da war die Begeisterung unter den Schülern groß. Die Schulleitung zeigte sich zufrieden, der Physiklehrer, der die ersten freiwilligen Informatik-Kurse anbot, war erfreut über den doch regen Zuspruch. Sogar zwei Mädchen wollten daran teilnehmen. Die Mädchen waren, wie sie nun mal sind, brav und fleissig und konnten schnell einfache Programme in BASIC schreiben. Uns künftigen Herren der Schöpfung jedoch, uns stand der Sinn nach etwas anderem. Dreimal darf man raten …
Nachdem auf Druck der Schulbehörde das örtliche Kaufhaus Vorführ-Rechner erst ab Nachmittag einschalten durfte und uns der Zugang zu den Arcademaschinen im Kaufhaus-Cafe grundsätzlich nicht mehr erlaubt wurde, musste Abhilfe geschaffen werden. Dringend! Also wurde auf den Rechnern im Informatikraum der Schule gezockt. In jeder freien Minute und es war nicht selten, dass man unter Vortäuschung einer vollen Blase auch in unfreien Minuten zockte. Wie man sich denken kann, war der Physiklehrer nicht erfreut. Denn mit den Rechnern sollte man arbeiten und studieren und nicht zocken. Irgendwann, als er mitbekommen hatte, dass einige unter den Schülern sogar angefangen haben nicht nur eigene BASIC-Spiele zu schreiben, sondern auch direkt mit Maschinen-Code rumzupoken, ließ er uns das Zocken. Begeistert war er immer noch nicht, aber er sah, dass wir uns auf anderem Wege motiviert haben uns mit der eigentlichen Thematik auseinanderzusetzen. Dann stand eines Tages sogar ein C64 im Zimmer und es gab kein Halten mehr. Er hatte sogar, als einige Zeit später der erste IBM-PC an die Schule geliefert wurde, als erstes Programm auf dieser Höllenmaschine ein Spiel gestartet.
Dass eines Tages zwei Polizisten beim Schulleiter standen, weil einer von uns dachte, es sei eine tolle Idee all die Kopien, die wir hatten, per Inserat in der Zeitung zu verkaufen … hat dieser kurzen Tauwetterphase bezüglich Videospiele leider ein schnelles Ende bereitet. Es wurde sogar der Informatikraum für ein Jahr geschlossen. Für alle! Nein, muss man nicht verstehen. War halt so. Neuartige, komische Dinge, irgendwas passiert und schnell weg damit in den Giftschrank.
Wir schreiben heute das Jahr 2014 und fast 30 Jahre später werden Spiele verwendet, um Schüler nicht nur zu motivieren sich mit diesen neuartigen Rechenmaschinen zu beschäftigen, sondern um Deutsch zu lernen. Oder Englisch. Oder ein anderes Fach.
Nicht nur unter der Hand geduldet, sondern als offiziellen Teil des Unterrichts.
30 Jahre werden in der Regel als eine Generation bezeichnet. Es hat also nur eine Generation gedauert. Und es zeigt wieder eindrücklich, dass grundlegende Veränderung nicht kommt, in dem man diejenigen, die an den Schalthebeln der Macht sitzen, überzeugt, sondern grundlegende Veränderung kommt nur dann, wenn die alte Generation nichts mehr zu sagen hat.
Also immer schön dran denken … in 30 Jahren sind WIR die Generation, die nichts mehr zu sagen hat 🙂
In 30 Jahren gibt´s hoffentlich gescheite VR Spiele, dann hocken wir alle im Seniorenheim in unseren gemütlichen virtuellen Räumen und kümmern uns einen Sch… darum wer in der wirklichen Welt das Sagen hat 🙂
Hauptsache, jemand kümmert sich um die Transfusionen und den Ruhezustand unserer Körper, während wir in unseren Altersruhe-Kokons liegen, die man schön platzsparend in den „Altersheimen“ der Zukunft aufeinander gestapelt hat.
In 30 Jahren haben wir nichts mehr zu sagen? Ich freue mich schon darauf für die Magazine in Shootern echtgeld bezahlen zu dürfen 🙂
Hmmmm, ja geil, aber zum Videospielen brauchen meine Kinder KEINEN Lehrer! =P
Die Vorstellung mit dem Altersheim bemühe ich auch immer zu gerne. 🙂
In beiden Formen.
Schöner, informierender Artikel Harzzach!
Schon ziemlich abgefahren, dass bei Dir auf der Schule damals sowas angeboten wurde.
Meinereiner hat zwar mit 3 – bzw 486’ern in der Schule hantieren dürfen, aber das Geschehen war mit Abstand (!) nicht so aufregend wie in deiner Schreibe.
Toller Artikel!
Ich hab was zu sagen???
Dann sage es doch? 🙂
@ Arnsen
Bei uns gabs damals auch brandneue 468er, glaube so 15 Stück. Im „Informatik“ Unterricht haben wir dann aber immer Doom 1 gespielt anstatt irgendnen BASIC Mist zu schreiben 😉 Nachdem die Lehrer irgendwann mal rausgefunden haben, dass wir ihr Schulnetzwerk nicht für das verwenden wofür es gedacht war, haben sie das Spiel deinstalliert. „Irgendwie“ hat es aber seinen Weg imemr wieder zurück auf die Festplatten gefunden 😉 Hachja… die gute alte Schulzeit 🙂
Gruß
Frank
Joes Schulrechner waren nur 286er-ATs mit VGA-Karte an einem Novell-Netware-Server. Pinball Fantasies lief aber, sogar mit Musik.auf dem PC-Speaker. Doom und anderes 32-Bit-Zeug war natürlich außen vor.
Bei uns gabs damals 286er, auf dem wir Logo programmieren durften…das höchste der Gefühle war mal ne Runde SpaceWar in monochrom-orange 🙂
Kann mich noch dunkel an eine Projektwoche erinnern…ich glaub, es ging um pascal…frag mich ob das noch irgendjemand verwendet…
Wir hatten mal ´nen französischen Austauschschüler namens Pascal, hatte aber wenig Kontakt mein französisch war eher Basic.
Den WDR Beitrag fand ich eigentlich ganz interessant. Wenn allerdings von von der Deutschstunde 10 oder 15 Minuten abgehen weil punkte verteilt oder verschoben werden, …wer weiss wo da die Goethe/Büchner/Lenz bleiben.
Laut Beitrag scheint es aber den Schülern zu helfen, weil das Belohnungsprinzip bekannt ist. Früher gab´s Sternchen (auch heute noch), heute werden gute Noten gegrindet.
Da frag ich mich wann die ersten Cheats kommen 🙂
Ich fand übrigends drollig wie die eine Schülerin einem Klassenkameraden 10 Lebenspunkte abgegeben hat damit er im Spiel bleibt. Voll nett von ihr!
Für die soziale Struktur von Schulklassen also auch dienlich, und sogar IRL.
Wieso in 30 Jahren? Wenn ich mir den aktuellen Spielemarkt so anschaue, habe ich schon jetzt das Gefühl, dass die C64-Generation nichts mehr zu sagen hat …
Hat sie doch … glaubst Du, CoD, FIFA und all die anderen Chart-Titel werden nur von Kindern und Jugendlichen gekauft und gespielt? 🙂
Abgesehen davon, Dank Indies und Crowdfunding hat die kaufkraftstarke Generation C64 ganz unmittelbar wieder was zu sagen. Man schaue sich nur mal Star Citizen an, wo bei ca. 630.000 Backern jeder im Schnitt ca. 100 Dollar gegeben hat. Nach oben offen …
@Minando: Ja, mein ehemaliger Informatik-Lehrer hat mir erzählt, dass er immernoch Pascal beibringt ^^
Immer noch…na, vielleicht sind wir doch noch nicht SO alt.
Naja, „Computer-Spiel“. Eher elektronische Fleißpunkte (+ Bonusprogramm).
Was ein afaik englicher Lehrer vor bald 10 Jahren oder so erfunden hat, dringt dann auch jetzt schon wieder zu deutschen Journalisten durch. Das ist deutsches Fernsehen.
Hm, die Idee ist für die Motivation ganz nett. Ob man sowas aber länger als ’nen Vierteljahr oder halbes Jahr durchhält, oder es dann bei den Schülern noch zieht ist fragwürdig. Letztlich ist es ein klassisches Belohnungssystem in neuem Gewand, für das aber doch einiges an Netto-Stundenzeit investiert wird.
Interessant wird es bei Computerspielen im Unterricht, wenn man sich mal die Politiklehrpläne der Oberstufen anschaut. Da kann man beim Thema internationale Konflikte/internationale Politik mitlerweile ein „This war of mine“ parallel zu Filmen wie Restrepo oder No mans land einsetzen.
Denn Krieg ist für meine Schüler (ja, bin Lehrer) eher FPS und halbgare Kriegs-„Dokumentationen“ von ZdF oder N24 im Spätprogramm…
Meine erste Informatikstunde fand an 486ern mit Win3.11 statt.
Es gab einen Pentium…keine Ahnung was das für einer war, 90MHz glaub ich.
Es war ein Privileg den nutzen zu dürfen.
Allerdings hat man da (zumindest an meiner Schule) noch jeden Lehrer zum Informatiklehrer gemacht der einen Computer auch nur einschalten konnte.
Als er dann angefangen hat mehrere Dateien zu löschen und dafür jede Datei einzeln gelöscht hat…naja. Da war mir klar dass es doch etwas verschwendete Zeit war.