Von Alpha bis Omega: Aarklash – Legacy

Nach vollmundiger Verkündigung meines gewagten Planes zum Abbau des Pile of Shames, den ich derzeit noch die Ehre habe mein Eigen zu nennen, schritt ich denn frohgemut zur Tat. Von A bis Z sollte es gehen und Stein für Stein der Berg einer flachen, glattpolierten Ebene weichen.

Und weil A der erste Buchstabe dieses unseres Alphabets ist und der zweite Buchstabe in Namen des ersten Spieles erneut ein A ist, beginne ich meinen Kreuzzug mit „Aarklash – Legacy„, einem Titel, den ich mir vor ca. anderthalb Jahren zugelegt hatte, ohne mich nach dem Kauf jemals länger als fünf Minuten damit beschäftigt zu haben. Weil … manche Menschen haben offenbar mehr Geld als Verstand.

Basierend auf einer Rollenspielwelt, deren Rechte sich der Entwickler Cyanide aus der Insolvenzmasse eines französischen Tabletop-Anbieters besorgt hatte, zieht man in Aarklash mit einer Gruppe von vier Söldnern durch die Lande, um in pausierbaren Echtzeitkämpfen diverse Gegenspieler um ihre digitalen Leben zu bringen.

Zwar wird Aarklash als Rollenspiel beworben, doch im Grunde ist es nur das rudimentäre Kampfsystem eines Rollenspieles, welches mit ein paar Cutscenes und Storyelementen aufgepeppt wurde, damit das Spiel nicht ganz so „nackt“ daherkommt. Man stelle sich Fallout Tactics im bunten Fantasy-Gewand vor. Mit noch weniger Rollenspiel.

Dieses Gewand ist aber sehr hübsch geraten. Das Art Design ist ausgefallen, die Assets eine wahre Augenweide, wie man es von französischen Entwicklern seit jeher gewohnt ist. In Sachen Schauwerte gibt es wirklich nichts zu mäkeln. Auch technisch gibt es nichts zu meckern. Flutscht alles wunderbar dahin.

Das UI ist schlicht, eingängig und drängt sich nicht in den Vordergrund. Die Ansicht ist zoombar, was manchmal ganz nützlich ist, wenn man im dichten Gedränge den Zielcursor eines Zaubers auf das gewünschte Ziel platzieren will, doch eine drehbare Kamera wäre hier deutlich nützlicher gewesen als eine zoombare Kamera.

Loot gibt es nur in Form von Amuletten, Ringen und anderem Schmuck, der etwas Variation im Charakteraufbau ermöglicht. Kein Gold, keine Rüstungen, keine Waffen. Immerhin kann man überzähligen und/oder unnützen Loot in den magischen Mülleimer geben, der mit jeder „Opfergabe“ ein wenig mehr aufgeladen wird, bis er ein besonders tolles Schmuckstück von sich gibt. Beeinflussen kann hier lediglich die Art des Gegenstandes (ist der letzte Gegenstand vor Erreichen des Limits ein Ring, bekommt man einen Ring. Ist es ein Amulett, bekommt man ein Amulett usw. usf.), nicht aber die Werte und Eigenschaften. Was aber nicht so tragisch ist, denn auch diese Rare Items lassen sich selbstverständlich wieder recyceln.

Jeder der spielbaren Charaktere in der Party stellt einer der klassischen RPG-Klassen dar. Zum Beispiel ein Krieger, ein Dieb, ein Heiler, ein Nekromant, Magier usw. Jede dieser Klassen bekommt lediglich vier Kern-Fähigkeiten spendiert, die sich aber vielseitig ausbauen UND sogar umbauen lassen, wenn man meint sich verlevelt zu haben oder ein bestimmter Bossgegner ganz spezifische Ausbaustufen zu benötigen scheint. Das klingt nach nicht viel und zuerst fällt auch unangenehm auf, dass Basiswerte wie Gesundheit und Mana und all der typische Charakter-Kram automatisch gesteigert werden und man hier nichts beeinflussen kann. Doch schnell stellt sich heraus, dass diese Reduktion auf nur wenige Eigenschaften dennoch ein sehr anspruchsvolles Gameplay ermöglicht.

Denn Aarklash ist nicht ohne, um es mal etwas flappsig auzudrücken. In der festen Überzeugung, dass man als alter, erfahrener RPG-Sack das Kind schon schaukeln wird, beginnt man das Spiel auf Normal und kloppt sich lässig durch die ersten Gegnergruppen. Erste Elite-Gegner werden mit Links erledigt, ein erster, kleiner Zwischengegner erfordert nur wenig Kopfzerbrechen und dann steht auch schon vor dem Ende des Tutorials. Ein halbes Dutzend Quickloads später (Speichern und Laden sind jederzeit und überall möglich) lese ich mir nochmal in Ruhe die Beschreibungen der einzelnen Fähigkeiten durch. Einfach mal die KI machen lassen, ab und an heilen, ist bei Aarklash keine besonders effektive Vorgehensweise. Der Endgegner des Tutorials ist sogar eine ziemlich harte Nuss, selbst wenn man das Tutorial ernst nimmt und sich wirklich jeden Satz und jeden Hinweis eingeprägt hat.

Irgendwann habe ich herausgefunden, dass das Stellungspiel ENORM wichtig ist. Fast noch wichtiger als der richtige Einsatz der richtigen Fähigkeit zum genau richtigen Moment. Und nach jeder Aktion, also alle paar Sekunden, sollte man den Kampf pausieren und jedes Party-Mitglied abklappern, um ja nicht eine Spezialfähigkeit nach dem Abklingen ihres Cooldowns ungenutzt zu lassen. Und dann sollte man auch stets die Timer und Cooldowns der Gegner im Auge behalten, um deren Buffs und Debuffs mit geeigneten Mitteln zu kontern. Und sich stets neu entscheiden, ob man zuerst die Magier oder doch zuerst die Bogenschützen oder doch zuerst die gegnerischen Nahkämpfer beseitigen soll. Manche Zauber brauchen zeitlichen Vorlauf, so dass man nicht zu lange mit der Ausführung warten sollte. Die Koordination aller Fähigkeiten aller Party-Mitglieder ist sehr wichtig. Und man sollte die Party, je nach Kampfverlauf, auch öfters umgruppieren, weil manche Gegner Flächenschaden verursachen, dem man ausweichen sollte oder ein bestimmter Gegner nicht so alleine da hinten in der letzten Reihe seine Zauber vorbereiten sollte. Die Wegfindung ist problematisch und ein wenig buggy, denn zu oft passierte es, dass meine Nahkämpfer den langen Weg um eine Gegnergruppe herum nehmen, dabei natürlich massiv Schaden nehmen, anstatt den ausgewählten Gegner in direkter Linie anzugreifen.

Die Kämpfe werden, obwohl man sie jederzeit pausieren kann, obwohl Aktionen gestapelt und nacheinander ausgeführt werden können, um das Mikromanagement im Kampfverlauf etwas zu vereinfachen, sehr schnell sehr hektisch. Und durch die fehlende Kameradrehung auch leider ziemlich unübersichtlich. Da muss man ab und an die eine Figur kurzfristig aus dem Meelee-Kampf lösen, weil sie genau den Gegner verdeckt, dem man mit der Spezialfähigkeit einer anderen Figur den eben frisch gezauberten Buff wegnehmen möchte/muss. Auch das ansonsten sich sehr angenehm im Hintergrund haltende UI trägt seinen Teil zur Hektik bei, würde eine gleichzeitige Anzeige aller Heldenfähigkeiten und ihrer Cooldowns, anstatt dass man die Partymitglieder immer einzeln durchklicken muss, doch wesentlich zu mehr Übersichtlichkeit beitragen.

Nach etwa einem weiteren halben Dutzend Quickloads später ist das Tutorial (!) endlich erfolgreich abgeschlossen. Tutorial wird hierbei sehr locker definiert. Selbststudium heisst die Devise. Alle Fähigkeitenbeschreibungen GENAU lesen (auch und vor allem die der Gegner), beobachten, handeln, fluchen und dann alles nochmal von vorne, weil es wieder nicht geklappt hat.

Hrmpf! So geht das nicht. Ich habe noch etliche hundert andere Spiele vor mir. Das muss schneller gehen. Ich habe nicht Zeit für drei weitere Leben vor mir. Ich bin kein Videospiel-Charakter. In meinem Universum gibt es nur den Permadeath 🙂

Ich schalte den Schwierigkeitsgrad runter und kloppe mich nun entspannter durch die Gegend, ohne dass ich aber den Eindruck habe, das sich das Spiel nun a la Call of Duty selber spielt. Die Kämpfe sind immer noch recht anspruchsvoll, man muss weiterhin ganz genau überlegen, wie man die Klassenfertigkeiten ausbauen möchte und wie man danach die Kampfstrategie auszurichten hat. Aber man arbeitet sich nicht mehr stundenlang einem schweren Kampf ab, bis der Motherfucker endlich gelegt wurde. Man muss nicht mehr alle paar Sekunden den Kampf unterbrechen und jedes Party-Mitglied abklappern, seine Spezialfähigkeiten exakt mit den Cooldowns der anderen abstimmen. Man kann jetzt auch mal einen Kampf genießen und ein paar Sekunden entspannt zuschauen. Aber nicht allzu lange. Denn dann muss man doch wieder auf alle Cooldowns achten und den Gegner genau beobachten und auf Statusänderungen reagieren.

Alles in allem, wie isset?

Nicht schlecht, aber …

Wenn man Lust auf knifflige Kämpfe hat (und knifflig ist hier keine Übertreibung, Aarklash ist kein leichtes Spiel), diverse Kamera- und UI-Nicklichkeiten verschmerzen und auf eine ausgefeilte Hintergrundgeschichte verzichten kann, der kann sich Aarklash gerne geben.

Persönlich hätte ich gerne mehr Story gehabt, mehr Rollenspiel, mehr abwechslungsreichen Loot. Und zwar als zusätzliche Belohnung und Motivation für das Bewältigen der selbst auf Leicht oft genug haarigen Kämpfe. So artet das Spiel schnell in Arbeit aus. Mühsam schnetzle ich mich durch „normale“ Gegngergruppen und arbeite mich an harten Zwischengegnern ab, bei denen ich erst nach einigen Versuchen eine halbwegs taugliche Strategie herausgefunden habe. Aarklash ist abschnittsweise eine nicht unerhebliche Prüfung für meine Frustrationstoleranz. Fehler haben fatale Folgen, Fehler verzeiht das Balancing nicht. Obwohl die Kämpfe eigentlich nicht unfair sind. Wenn man alle verfügbaren Infos über den Gegner genau durchliest und die Fähigkeiten der eigenen Party umfassend verinnerlicht hat, findet man relativ schnell den Schlüssel zum Erfolg. Aber man braucht dafür Zeit und Muße. Und das Mindset, dass das Gewinnen eines schweren Kampfes Belohnung genug ist, weil mehr gibt es nicht als Belohnung.

Habe ich es durchgespielt?

Nein. Zwar habe ich kurz damit geliebäugelt zumindest einen Trainer für die Boss-Kämpfe einzusetzen, aber es geht mir ja nicht ums prinzipielle Durchspielen, sondern um eine intensivere Beschäftigung mit den Spielen, die ich bereits besitze. Nach etwa vier Stunden Spielzeit habe ich genug.

Weiter geht es mit Abe’s Odyssee 🙂

 

16 Kommentare zu „Von Alpha bis Omega: Aarklash – Legacy

  1. Wow, so schnell der erste Artikel zur harzachschen „Mission Impossible“! Ging mir bei AL genauso: schöne Technik, Grafik, Gameplay, aber kaum RPG, Story und Seele. Hab, glaube ich, nur 3 Stunden durchgehalten…
    Jedenfalls danke für den Text; ich freue mich osterhasenmäßig auf weitere Reviews in dieser neuen Rubrik „von Alpha bis Omega“.

  2. Aarklash klingt nicht so, als wärs was für mich. Aber freue mich schon auf deinen Bericht über Abe’s Odyssee. Weiß noch wie ich damals auf der Konsole einen Abe Teil lange und gerne gespielt habe, da könnte ich mal wieder alte Erinnerungen auffrischen.

  3. Hehe..ich dachte es mir schon. Aus dem Projekt „Ich baue den Stapel ab“ wird schnell „ich erinnere mich wieder daran, warum diese Spiele Scheisse sind“.
    Cheers !

  4. „Scheisse“ ist es nicht. Nur ein Spiel für Leute mit viel Geduld und Muße.

  5. Drei Stunden, dann hatte ich die Nase so dermaßen voll vom diesem Stück unbalancierter Sch… Braucht mir keiner zu erzählen, dass es Spass macht, schon in einem Tutorial dutzende Male zu scheitern, ohne auch nur den Hauch einer Chance zu haben. Schade um die Optik, ich kann von dem Teil nur dringend abraten. btw: Divinity:Original Sin ist auch nicht gerade leicht, aber es ist motivierend, weil man unzählige Zaubersprüche und nachvollziehbare Möglichkeiten hat, um die Schwächen der Gegner dann doch noch auszunutzen. So geht Rollenspiel und nicht so wie bei dieser Grütze.

  6. Unbalanciert würde ich es nicht nennen. Es gibt auf alles eine richtige Antwort 🙂 Es ist nur ungeheuer frickelig, weil man ständig jedes einzelne Party-Mitglied durchklicken muss (anstatt einen Überblick zu haben) UND jede einzelne Fähigkeit von essentieller Bedeutung ist. Einmal einen gegnerischen Buff nicht schnell genug aufgelöst/umgewandelt … nochmal von vorne!

  7. @harzzach. Aber macht es deshalb Spass!?!? Wenn ich was spielen will, wo es nur eine Antwort auf eine Frage gibt, dann ist das Quizduell ;-), aber doch nicht in einem Rollenspiel …

  8. Abe’s Odyssee, hm? Na dann viel Spaß. Mir ging es bei AO wohl in etwa so, wie dir bei Schritt eins deines Experimentes. An sich kein schlechtes Spiel, die Grafik war und ist sehr hübsch anzuschauen, witzig ist es auch. Aber irgendwann wird das Spiel so bockschwer, dass es nach der gefühlt 394-sten Wiederholung der selben Stelle einfach keinen Spaß mehr macht. Weil AO absolut keine Fehlertoleranz besitzt. Da muss das Timing auf die Zehntelsekunde stimmen, der Sprung von DIESEM Punkt und keinen viertel Zentimeter weiter links oder rechts erfolgen, sonst darf man noch gleich noch einmal antreten.

    Und dass die zu rettenden Kollegen so dermaßen, so unfassbar, so beispiellos dämlich sind und anscheinend ein gerüttelt Maß an Lemmingerbgut in sich tragen macht die Sache kein Stück besser. Ich habe AO diverse Male wieder hervorgekramt, mich Level um Level vorangekämpft und bin wieder und wieder an den selben Stellen gescheitert, bis auch das neueste Experiment auf die selbe Art wie die vorangegangenen endete. Nämlich mit dem frustrierten und meist sehr laut geäusserten Wunsch, dass die blöden Mudokaner gefälligst verrecken sollen, weil sie es sowieso nicht besser verdienen und der umgehenden Deinstallation des Spieles.

    Schade eigentlich, aber für sowas bin ich einfach nicht masochistisch genug.

  9. Edit sagt: Natürlich sollte es „…und keinen viertel MILLIMETER…“ lauten. Wenn es sich um viertel Zentimeter handeln würde, hätte ich das Spiel nämlich schon längst einmal durchgespielt.

  10. Ich muss mir jetzt an dieser Stelle auch mal auf die Schulter klopfen. Ich hab die Vanilla Kampagne von Tropico 3 durch… gekauft hatte ich’s bei GOG irgendwann… öh… 2012?

  11. @Michael:
    Hehe, ich habe am WE die 16. von 20 Karten der Kampagne von Tropico 4 geschafft. (Und mich wieder mal köstlich amüsiert -> Wenn ich Bestechungsgeld für Atomtests zahle, dann….) 😀

    Tropico 3 habe ich noch im Pile of shame – kam auch erst später in die Bibliothek und werde ich wohl irgednwann in 5 Jahren durch haben. 😉

  12. Der Fachpresse und auch der Aussage von Gamerkollegen ist Tropico 4 eigentlich mehr wie ein weiteres Addon zu Tropico 3… es gibt wohl ein paar Gebäude mehr, man kann nun Minister für zusätzliche Boni ernennen, die UI wurde etwas überarbeitet, aber das war’s wohl auch schon… 🙂

  13. nope, du beschreibst den Vergleich vom aktuellen Tropico 5 zum großartigen Tropico 4 🙂

  14. Heh, ich stelle mir gerade vor, was wohl wäre, wenn man auch nur einen Bruchteil von Haz geballter „Ich-schaff-den-pile-of-shame-Energie“ in die wissenschaftliche Forschung stecken würde. Geschätzt fünfundsiebzig Prozent seiner Sammlung würden dann wohl von der Realität überholt….na, ist das ein Anreiz ?

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