Es gibt Momente, da tue ich mich sehr schwer mit meinem selbstgewählten Hobby. Ich klicke mich gelangweilt durch hübsche Kulissen und müde Augen verfolgen sattsam bekannte Tropes und Muster, bevor sie ganz von den Lidern verdeckt werden und das Großhirn sich anschickt in den Thetawellen-Bereich überzutreten. Je länger ich dieses Hobby betreibe, um so öfter treten solche Momente auf.
Was jetzt dramatischer klingt, als es in Wirklichkeit ist.
Solche Momente kommen zwangsläufig mit zunehmendem Alter. Ich kann nicht bewusst Dinge vergessen, nur um wieder voller Begeisterung einer Spielmechanik und/oder Story zu folgen, die ich ihn Wirklichkeit schon etliche hunderttausend Mal erlebt und erfahren habe.
Es ist „halt so“ und solange mir kein Men-In-Black’sches Blitzdingenskirchen zur Verfügung steht, gibt es auch nichts, was ich dagegen tun kann. Der Fluch der Erfahrung lässt sich nicht ungeschehen machen. Keine Gallonen selbstgebrannten Schnapses können auslöschen, was sich unlöschbar in mein Gedächtnis eingebrannt hat. Also akzeptiere ich diesen Zustand.
Hilfreich bei der Akzeptanz des Unvermeidlichen (und vor allem bei der Vermeidung von allzu viel Zynismus) ist auch der Umstand, dass es weiterhin Momente gibt, in denen man plötzlich „Moment mal!“ sagen muss, weil man an einem Spiel hängenbleibt, welches man überhaupts goar net auf der Rechnung hatte. Wie ein Lichtstrahl in finsterer Nacht zerteilt so ein Titel die stets am Horizont dräuende Trübnis meines Spielealltages. Letztlich hat mich so ein Lichtstrahl erwischt, ohne dass ich ihm rechtzeitig genug ausweichen konnte. Damn! 🙂
„Knights of Pen & Paper 2“ ist auf den ersten Blick eines dieser unzähligen Retro-Pixel-Spiele, die im Laufe der Jahre vor allem über Steam hereingebrochen sind. Sturgeons Law (90% von allem ist Mist) ist in vollem Effekt und mehr rat- als hilflos stapft man durch Myriaden von Titeln, die allesamt Alpha versprechen und oft genug doch nur Sigma halten können.
Den Vorgänger fand ich zwar von der Idee her ganz nett, doch die spielerische Umsetzung war eher, hmm, suboptimal. Mehr als ein paar Minuten hatte ich damit nicht verbracht und nur dem Umstand, dass ein Refund auf Steam seinerzeit ein ziemlicher Aufwand war und mir dieser Aufwand für ein Spiel, welches mich eh nur eine ganz kleine Handvoll Euro gekostet hatte, verdankte der Titel nicht die sofortige Löschung aus meinem Konto.
Von daher hat es auch eine Weile gedauert, bis ich mir den Nachfolger angeschaut …
… und prompt den nächsten Arbeitstag mit Augenringen, viel Kaffee und bleierner Müdigkeit durchlitten habe.
Die Prämisse bei Teil Zwei ist die gleiche. Man spielt eine Gruppe jugendlicher Pen & Paper-Nerds, die sich bei Cola und Chips im Keller trifft, um dem Rollenspielspaß zu frönen. Doch im Gegensatz zum ersten Teil ist die Sache hier rund und flott. Das ganze Spielkonzept wurde überholt, von hakeligen Unrundungen befreit, hier beschleunigt, dort ausgebaut und klarer herausgestellt. Nun flutscht Würfelrunde um Würfelrunde so geschmeidig über den Bildschirm, dass ich nicht aufhören konnte. Noch eine Runde, noch ein neuer Kampf, noch eine neue Örtlichkeit. Oh, mehr Loot. Oh, neue Zauber. Oh, neue Fähigkeiten für die Charaktere meiner Charaktere. Oh, neue Gimmicks, die ich mir in den Keller meiner Party-Simulation stellen kann.
Oh hier, Oh da.
Ohlala!
Das macht … Spaß. So richtig Spaß. Mit einem Augenzwinkern wird das ganze Rollenspiel-Gemuffe und -gehabe veräppelt. Man lootet und levelt und wird von NPCs und dem Game Master verhöhnt, weil man schon wieder nicht der mühsam vorbereiteten Story folgt und doch nur größere Zahlen auf dem Charakterblatt sehen möchte.
Ein Komplexitätsmonster ist Knights of Pen &Paper 2 natürlich nicht, aber das macht auch seinen Reiz aus. Pro Char-Char gibt es vier aktive und zwei passive Fähigkeiten, auf die man Punkte verteilen darf. Manche klingen gut und bleiben gut. Andere entpuppen sich als Blender, die man im späteren Spielverlauf gegen Gold wieder in frei verteilbare Fähigkeitenpunkte auflösen kann. Sinnhaftes Experimentieren wird mit Erfolgserlebnissen belohnt und Goldmangel gibt es Dank ständigem Gegner-Respawn nicht. Charaktere können dabei nicht nur verschiedene Charakter-Klassen wählen (Krieger, Paladin, Priester und das übliche Gesocks), sondern die Charaktere selbst haben Grundeigenschaften, die manche Klassenkombinationen sinnvoller als andere erscheinen lassen. Die Brillenschlange, der Nerd eignet sich gut für Magie-basierte Charakter-Charaktere, während der Sportsfreund eine „dritte“ Hand bekommt, um sich entweder mit vielen Schilden quasi unangreifbar zu machen oder als Massenvernichtungswaffe drei Waffen gleichzeitig tragen kann.
Diese Simplizität macht Knights of Pen & Paper 2 auch ideal für RPG-Neulinge, weil man sich nur um wenig Dinge Gedanken machen muss und man nicht in Level-Sackgassen geraten kann. Mich erinnert das Spiel sehr stark an Final Fantasy Mystic Quest, welches sich explizit an Einsteiger richtete, aber auch genug „Charme“ für Genre-Veteranen bot. Nicht perfekt, nicht so wirklich ausgewogen und für einen Profi relativ leicht aushebelbar, aber wo steht geschrieben, dass man das Spiel so zocken muss, wie eigentlich geplant? So finden sich bei Steam, auf Reddit viele Diskussionsstränge, wo sich Numbercruncher und Alles-Analysierer darüber austauschen, wie weit man als einzelner Char-Char mit einem spezifischen Set an Fähigkeiten im Spiel eigentlich kommen kann. Der Casual klickt sich halt so zum (jetzt doch nicht sooooo einfachen Sieg), während der Profi sich Gedanken darüber macht, wie man das Spiel gamen kann, um entweder so schnell wie möglich ans Ende zu kommen oder wie schwer man es sich dabei machen kann.
Genau das zeichnet erstklassige Spiele aus. Sie bieten genug Beschäftigung für Einsteiger und genug Herausforderung für Leute, die zur Entspannung Dark Souls mit verbundenen Augen über ein Blas-Eingabegerät für Querschnittsgelähmte spielen.
Ich hänge irgendwo in der Mitte der jeweiligen Anspruchshaltungsextreme und bin betrübt, dass nach ca. sieben Stunden schon das Ende erreicht ist. Aber es gibt ja noch Story-DLC mit neuen Abenteuern und neuen Klassen und neuem Partykeller-Zeug für meine Char-Chars.
Knights of Pen & Paper 2
Feine Sache, das. Hat was.
Hey Herr Harzzach,
schön mal wieder von Dir zu lesen.
Freut mich, dass Du mal wieder was gefunden hast, was Dir Spaß macht!
Mach Dir nix draus wg. des Einschlafens. Auf der anderen Seite heißt das doch auch, dass Du ganz viele spannende Erfahrungen schon gemacht hast. Ich denke, dass auch mittelfristig wieder eine Zeit kommen wird, wo wieder wirklich einige „das gabs noch nie“-Sachen kommen werden – einfach deshalb, weil mittlerweile viele Leute spielen, und wenn da erst einmal ein gewisser Teil anfängt zu sagen „hey, kenn ich schon alles“… dann wirds Zeit für Neues.
Dann gibts das große Publisher-Wehklagen, viele Schuppen werden die Schotten dichtmachen, aber danach wirds wieder ne Weile feine Sachen geben.
Und bis dahin halten wir uns halt mit den vereinzelten Perlen übert Wasser, ok? 🙂
Grüße,
onepiece
„… und prompt den nächsten Arbeitstag mit Augenringen, viel Kaffee und bleierner Müdigkeit durchlitten habe.“
Halte dich bloß von factorio fern!
Da habe ich auch gedacht „Och, schauste mal rein, was soll da schon… VIER UHR MORGENS????“
Danach habe ich meine Platte geläutert und schon mal was zur Seite gelegt, falls das mal 1.0 gehen sollte… Hoffentlich fällt das so in mein Renteneintrittsalter, sonst habe ich ein Problem.
(Eher gibt es aber eine Übersättigung am Markt und wenn das live geht, kann ich das Prinzip nicht mehr sehen.)
Klingt wirklich gut, das hat schon einen tollen Nostalgiefaktor. Auf GoG gibst bisher leider nur Teil 1, – da ist mal wieder Geduld angesagt. ^^
Mal wieder ein geiler Beitrag und das Spiel hat auch was. Ich mag den style solcher Spiele und vor allem dieses 90er Jahre Pixelhaufen Feeling 😀
Ich stimme dem Blogeintrag zu. Größtenteils. ABER.
Ich persönlich werde nach dem zweiten Teil nie wieder etwas von diesem Haus kaufen. Mit dem ersten Teil war ich sehr zufrieden, den zweiten habe ich via Bundle mit allem DLC gekauft, was war passiert?
DLC ist passiert, kurz gesagt. Moment, gerade sagte ich doch, der wäre dabei? Jahaaa… bei der PC Version klappt das auch. Ich wollte es aber unterwegs auf Android spielen, kein Problem ist ja auch dabei.
Aber war es nicht. Das ist nämlich was gahaaanz anderes. Für meinen Fall war es also eine komplett leere Versprechung. Support request aufgemacht, auf DLC included verwiesen.
Antwort: ja moment wir klären das ab… hm nee, sorry, da nich. Pech
Die können mich mal!