Wenn dieser Tage die Spielepresse, Streamer, Youtuber, Freelancer oder komische Blogger über „Project Warlock“ berichten, ist ständig die Rede davon, wie voll geil oder unsäglich retro das Spiel sei (je nach persönlicher Präferenz). Da werden Namen wie Hexen oder Heretic in den Mund genommen, Namen, die man gerade in der Spielepresse, wo es kaum eine Vergangenheit, jede Menge Gegenwart und viel überhypte Zukunft gibt, seit über zwei Dekaden nicht mehr gehört hat. Was für Spieleverhältnisse, wir erinnern uns, tiefstes Pliozän ist.
„Project Warlock“, von einer Person entwickelt (mit Unterstützung Dritter bei Artwork, Map Design und Sound), die auf Grund ihres Alters von zarten 19 Jahren zu den Zeiten der Klassikern von id und Ravensoft noch nicht einmal geboren war. Nein, ich fange jetzt nicht an in Trübsal und Miflife-Crisis-Depression zu versinken. Wir werden alle nicht jünger 🙂
Doch zurück zu Jakub Cislo. Gebürtiger Pole, in Deutschland aufgewachsen. Und so ein Jungspund will einen Retro-Shooter oder wenigstens von diesen Shootern inspirierten Titel gemacht haben?
Letzteres. Er hat letzteres gemacht. Jakub hat einen Shooter gemacht, der sich alter Elemente bedient und diese mit modernem Zeugs wie Savepoints und RPG-Elementen aufpeppt. Denn gespeichert wird nur nach Abschluss eines Levels und ich sammle Gold und Schätze, um damit ab und an meinen Char, meine Waffen und meine Zauber zu erweitern. Hat so wirklich viel mit Retro-Shooter nix am Hut. Doch, schon ziemlich was. Nee, ehrlich nicht. Savepoints? Hallo? Ja, aber kein Autoheal und kein Cover-System. Komm schon, wenn das nicht retro ist?
Macht alles nix. Ist nämlich wurscht. Wir wollen uns weder von der Hysterie vor allem der Gamestar anstecken lassen, die mal wieder im Überschwang des Lokalbonus (wir erinnern uns, Jakub lebt hier im schönen Deutschenland) maßlos übertrieben hat, noch wollen wir unseren Unmut ob dieser traditionellen Hypestar-Hysterie am Spiel, geschweige denn Jakub Cislo auslassen. Von Klassikern inspirierter Shooter reicht mir völlig.
Wie isses denn so?
Nett! Es ist nett! Ausgesprochen und im positivsten Sinne nett!
Die auf manchen Screenshots und etlichen Videos ziemlich dunkel und trübe aussehende Graphik ist nämlich äusserst farbenprächtig. Es gibt dynamische Beleuchtung, a bisserl Spiegelung und ein paar hübsche Effekte, die aber optisch zum Pixellook passen, nicht als Fremdkörper wirken.
Wer möchte, kann lustige Vollbildeffekte einschalten, um damit Paletten und Darstellungsfehler alter Brotkästen, Gameboys oder TV-Monitore zu simulieren. Man kann das Bild nach Belieben hochgradig verpixeln oder sich eigene Shader-Konfigurationen zusammenklicken. Das sieht aber alles scheisse aus. Als Gag, warum nicht, aber spielen will ich das so nicht. Mehr. Ich habe nicht ohne Grund hier fette Widescreen-Flats rumstehen. Also lasse ich die Finger davon, denn meine Augen sind schon kaputt genug. Default ist hübsch und retro genug, Default es ist.
Spielerisch darf man mit Axt, Dolch, Zauberstab und diversen Schußwaffen gegen jede Menge Monster-Sprites antreten. Die effektvoll auseinander brechen und manchmal a la Monty Python einfach nicht aufgeben wollen, ihren armlosen Torso in Dich rammen oder frei nach Battletech mit dem Rest des verfügbaren Arsenals weiterfeuern. Je nach Geschmack baut man einen Zauberer, einen nahkämpfenden Axtschwinger oder einen Pistolero auf. Man sucht den Schlüssel zur jweiligen Tür und schaut sich die Gegend genauer an, um Secrets zu entdecken, die den Spieler mit Goodies und Zeugs belohnen. Zwischen den Leveln pämpert man wahlweise Waffen, Zauber und den eigenen Char auf. Man kann auch während eines Levels zum sog. Workshop zurückkehren, muss dann aber den eben verlassenen Level komplett neu beginnen, behält aber die im Workshop in der Zwischenzeit erlangten Erweiterungen.
Gibt es eine Story? Weiß nicht, bin auf keine gestoßen. Fehlt auch nicht.
Spielt sich meistens wie ein Retro-Shooter, ist aber keiner. Ein spassiger Mix aus alten und neuen Elementen. Nein, ist kein neues Shadow Warrior. Um Gottes Willen. Ganz andere Liga. Wir erinnern uns? Ein Entwickler und zwei, drei Helferlein? Aber dafür ist es wirklich, ehrlich, doppelschwör, knackig, konzentriert und sehr launig. Für so Leute mich, die nur noch selten die Muße für ausufernde Sessions haben, kommt das gerade richtig.
Und zum Glück sind die Maps (derzeit noch zumindest) klein genug, dass die fehlende Speichermöglichkeit erträglich ist. Dennoch würde zumindest ich mich freuen, wenn es später als Patch doch noch freies Speichern geben würde. Damit „Project Warlock“ noch einen Tacken mehr retro ist, man sich bei der Gamestar a bisserl weniger schämen muss und ich einfach abspeichern kann, wenn der Rest meines Alltages ruft. Zum Essen oder so.
Bugs gibt es auch noch, wie z.B. ein viel zu niedriger Gamma-Wert, sobald man die Details auf „High“ stellt. Wie schon oben erwähnt, der Grund, warum das Spiel auf Screenshots teilweise so gräßlich aussieht. Und es gibt mitunter Fehler beim Lesen von Savegames. So dass man manchmal mit fehlenden Waffen oder verschwundenen Zaubern da steht. Neustarten des letzten Levels hilft meist. A propos Savegames. Jakub hat aus einem mir nicht nachvollziehbaren Grund entschieden, dass keine klassischen Savegames als Einzeldatei geschrieben werden. Savedaten werden offenbar in die Windows-Registry geschrieben. Nein, muss man nicht verstehen. Ja, ist eine potentielle Quelle, um sich Windows so richtig kaputt zu machen. Ja, ich hoffe, er ändert das noch.
Balancing ist wohl auch etwas schief, zum Schluss hin muss man wohl absichtlich auf überstarke Waffen verzichten, wenn man so etwas wie eine Herausforderung benötigt.
Aber es kostet nur 11 Euro auf GOG. Und es hat Potential. Man stelle sich vor, Jakub kann die Kohle verwenden, um einen verbesserten Nachfolger zu schreiben. Denn der gute Mann hat auch Potential.
Danke für das gute Review! Bei Lesen wurde ich neugierig ohne die Bilder weiter unten gesehen zu haben, beim betrachten der Bilder wurde das noch gelevelt und als ich im Anschluss auf dem GOG Link folgend, das Video gesehen habe…. haben mich die ersten 5 Sek abgeholt 😀 Geil… ich bin Baujahr 76, habe die alte Ära noch miterleben dürfen und das Game fängt diesen Groove deutlich ein. Wird getestet, danke für den Tip. Btw… kann es sein das Herr Cislo sich bei einem Element SEINER Generation bedient hat? Borderlands-Style ist hier so präsent.
Herr Cislo hat sich von vielerlei Quellen inspirieren lassen. Ich erkenne hier zwar nix von Borderland, aber ja, warum nicht?
Art und Form mancher Gegner, die Farbenfrohheit, dieser gewollte Pixel-Cell-Shading-Look. Irgendwie hats sichs direkt so angefühlt! Aber egal wo er seine Inspiration auch her hat, heute Abend wird´s gezockt! 😉
Ok, stimmt. Da muss man mich als Nicht-So-Wirklich-Borderland-Spieler (obwohl ich Teil 1 im Steam-Konto habe) mit der Nase drauf stoßen 🙂
Mal ’ne Frage zu Warlock: Stehen die Level in bester „Hexen“-Tradition, wenn es um den cleveren Aufbau und die gut balancierte Komplexität geht?
Hexen ist schon viel zu modern 🙂
Das sind Level, wie man in Wolfenstein-3D finden würde, nur technisch leicht verbessert, um eine abwechlsungsreichere Architektonik hinzubekommen. Schau am besten ein paar Gameplay-Videos an.
OK, Danke. Was leveltechnisch jetzt noch nicht ist, kann ja im Nachfolger (mit größerem Team) noch was werden 😉
Es ist ein mit Gewalt auf Retro gemachtes, modernes Spiel, was ich eigentlich nicht mögen dürfte.
Die Gegner, auch die Bosse, sind eigentlich zu leicht. Die Levels sind klein, übersichtlich, kubisch und plan ohne Höhenunterschiede, man kann nirgends hochklettern, herunterfallen oder durch Ducken in Deckung gehen. Verlaufen konnte ich mich noch nie, überdies ist die Minimap sinnlos.
Die Sprites zeigen immer mit der Front zum Spieler, drehen sich dadurch lustig mit wie damals bei Daggerfall. Die Animationen(!) sind gut gemacht und teilweise witzig.
Manche Gegner haben eine Rückansicht, die sie dem Spieler zudrehen, bevor sie angreifen, nachdem man den Raum betritt. Hier böte sich eine simple Möglichkeit, noch so etwas wie Schleichen einzubauen.
Hintergrund/Story: „Du, der Warlock, jagst die Manifestationen des Bösen, an welchen Orten und in welchen Zeiten sie auch lauern mögen.“ Schluss, Ende, aus.
Die Gegner reagieren unterschiedlich auf Treffer mit verschiedenen Waffen, so dass sich das Ausprobieren durchaus lohnt. Und man vielleicht die falsche Waffe für den Bosskampf aufgepimpt hat.
Ich finde „Project Warlock“ insgesamt stimmig und gut gelungen, es ist aber kein Vergleich zu Hexen oder Heretic. Mir gefällt es aber besser als zB Ziggurat.
Gerade dann, wenn man (so wie ich) mittlerweile aus der Übung ist, macht das Spiel Laune.
Und wenn mich mal wieder der Hafer sticht, dann nehme ich meine Hexen2-Installation zur Hand und
dies hier: http://uhexen2.sourceforge.net