Es gab einmal eine Zeit, in der Videospielfirmen vergöttert werden konnten.
Nicht unbedingt, weil sie tatsächlich vergötterungswürdig waren, sondern weil man auf Grund relativ weniger Lebensjahre und des damit verbundenen, nicht sonderlich ausgeprägten Erfahrungsschatzes noch der Illusion anhing, man könne eine Videospielfirma vergöttern. Weil halt geil, Mann!
Eine dieser Firmen war LucasArts. LucasArts war geil, weil alles, was LucasArts veröffentlicht haben, geil war. Alles. Ohne Ausnahme. Und ich musste damals nicht einmal beide Hühneraugen zudrücken. Und das nicht unbedingt auf der Grundlage jugendlichen Begeisterungsüberschwanges, sondern weil LucasArts die 1990er so dermaßen dominiert hatte, dass man nicht umhin konnte als diese Firma auf einen Altar zu stellen und anzubeten.
Doch alles geht einmal zu Ende. Den Rebel Assault-FMV-Railshooter-Dreck habe ich LucasArts noch verzeihen können, weil man jedes Jahr mindestens einen, meist zwei Überhämmer herausbrachte, die alles an Schmerzen wettgemacht konnte, die ich im Zuge von Rebel Assault erleiden musste.
Bis eines Tages ein Spiel von LucasArts erschien, bei dem ich begann vom selbstinduzierten Glauben abzufallen.
Indiana Jones and the Infernal Machine, bzw. Indiana Jones und der Turm von Babel, als das es mancher vielleicht eher kennt.
Ein Spiel mit meinem Lieblingslederjacken-Verkäufer, Herr Jones!
Breites Grinsen, selige Erinnerungen an durchknobelte Nächte, immer die Hand am Hörer, um bei denen nachzufragen, die schon weiter waren oder selbst Ratschlag gebend. Ahh, Multiplayer-Adventure! Oder einfach in Ruhe debile Dialogoptionen durcklicken und sich dabei schepps lachen. Ahh, gute Zeiten!
In der Zwischenzeit waren jedoch zwei Dinge in der realen Welt vorgefallen. Zum einen sank Jahr um Jahr der Umsatz von Adventure-Spielen und Mitte der 1990er begann zum anderen der Siegeszug von Lara Croft, die als Archäologin dem alten Herrn mit viel Bewegung und Action zeigte, wo die Reise lang ging.
Nicht länger schnarchig und langweilig den Bildschirm nach dem einen manipulierbaren Pixel absuchend, sondern sich zopf- und hüftwackelnd durch verlassene Ruinen und andere exotische Lokalitäten fetzen. Ein neues Massenkultur-Phänomen ward geboren, die Umsätze waren enormst und Eidos Interactive wurde so reich, dass man wenige Jahre später selbiges Geld in den tiefen Brunnen von Ion Storm werfen konnte, ohne dadurch sofort pleite zu gehen. Und weil damit so dermaßen viel Asche zu machen war und Adventures sich auf dem Weg in die Nische deutscher Indie-Entwickler begeben hatten, wurde das neue Herr Jones-Spiel folgerichtig auch als Action-Adventure im Stile von Frau Crofts lukrativen Abenteuern gestaltet.
*schnitt auf das zutiefst enttäuschte gesicht harzzachs*
Was soll das denn? ARSCH OFFEN??
Denn 1999 war kein gutes Jahr. Zumindest für meinen Videospielgeschmack. Quake 3 und Unreal Tournament sorgten für ein langes Gesicht, weil Multiplayer-Only einfach doof war. Und jetzt auch noch das!! Fuckem, Arschlöcher, dann halt nicht! Nix gegen Lara Croft, ich mochte Spiel und Figur, aber Herr Jones als Croft-Klon, anstatt ein letztes Mal für ein glorreiches 2D-Adventure-Grinsen zu sorgen … danke, aber nein danke! Hat sich erledigt!
>> Zeitsprung <<
*wusch*
Wir schreiben das Jahr 2020 und es tobt nebst einer globalen Pandemie auch der aktuelle GOG-Weihnachtsale.
Hmm, eigentlich gibt es kaum noch nennenswerte Lücken in der Sammlung, aber vielleicht doch das eine oder andere Titelchen, welches noch fehlt? Herr Jones und das Trum von Babel, bzw. doch Infernal Machine, weil es bei GOG nur die englische Version gibt? Hmm, ein Euro und neunundzwanzig Cent? Gekauft!
Startet und läuft auch klaglos. Sogar in einem gar nicht breitgestreckten, schicken 1080p. Und es sieht nicht übel aus für ein zwanzig Jahre altes Spiel. Recht atmosphärisch das Ganze.

Und erinnert sofort an einen Lara Croft-Mod, anstatt an ein Indiana Jones-Spiel. Zwar kein wippender Zopf, keine hin- und herschwenkenden Hüften und andere grob-polygonisierten Sexismen, nur ein Dude mit Hut, aber das Spielgefühl bleibt. Rauf die Kante und runter der Sprung und raus mit dem Stein und rüber zur anderen Kante gesprungen, den Schatz einsackend, erm, selbstverständlich für das Museum sichernd!
Dann durchgekrochen und rübergesprungen und … nein, nicht runterspringen und sterben. Rüberspringen sollst Du!
Natürlich nicht gespeichert, weil das effin Tutorial gerade mal erst begonnen hat. Nochmal. Rauf, runter, rüber, runter … verfl… NICHT runterspringen. Arghll! Natürlich erneut vergessen zu speichern.
Nochmal, Rauf, runter, rüber … *speichern* … und Herr Jones landet wieder ein paar hundert Meter unten am Talgrund. Immerhin kann ich frei speichern und werde beim Laden nicht auf einen bestimmten Checkpunkt zurückgeworfen.
Es braucht eine Weile, bis ich herausgefunden habe, wann ich auf die Jump-Taste drücken muss, um einen meistens erfolgreichen Sprung auszulösen. Denn manchmal scheint Herr Jones nicht rechtzeitig reagieren zu wollen. Und springt zu kurz. Oder bleibt manchmal an der Kante stehen.
Ein kurzer Check, aber die Tastatur ist aufgeladen. Das Spiel scheint hin und wieder Eingaben nur verzögert oder gar nicht zu verarbeiten. Auch sind Herr Jones Animationen grob und steif. Es ist nicht einfach den exakten Moment abzuschätzen, wann Herr Jones den passenden Absprungpunkt erreicht hat, weil sonst haut’s nicht hin. Eine schnelle Recherche zeigt, dass dies in Reviews aus dem Releasejahr auch negativ aufgefallen ist.
Absolut kein Vergleich zu Core Designs Meisterwerk, wo die Entwickler ewig und drei Tage an Animationen und Sprungmechaniken gefeilt hatten, um Lara so flüssig und so präzise wie möglich durch die Gegend bewegen zu können. „Hat sich stets bemüht“, fällt mir zu diesem Geholze nur ein.
Irgendwann stehe ich endlich erfolgreich am Talboden, des Tutorial-Levels wohlgemerkt, wo ich wenig überraschend auch meine Motivation teetrinkend vorfinde, die schon eine Weile vor Herr Jones angekommen ist und mich mit hochgezogener Augenbraue anschaut.
„Ist ja schon gut.“, murmele ich in meinen Lockdown-Bart. „Du hattest von Anfang an recht, lieber das Original als ein schlechter Lara Croft-Klon. Ich hatte Unrecht und habe dafür 1.29 € sinnlos zum Fenster rausgeworfen. Aber jetzt stell Dir vor, ich hätte damals die üblichen 100-120 DM für das Spiel ausgegeben, nur um den LucasArts-Götzen wutentbrannt vom Altar zu fegen?“
Meine Motivation verzieht kurz das Gesicht, grinst, nickt zustimmend und nimmt noch einen Schluck.
„Gute Güte, was hätte ich mich damals aufgeregt. So ganz für mich alleine! Ohne Internet und Blog, wo ich meinen Frust in einen hochemotionalen Rant hätte kanalisieren können. Dann lieber jetzt, 20 Jahre später, mit etwas mehr Altersweisheit gesegnet und nicht ganz so viel Geld aus dem Fenster werfend.“
Meine Motivation stimmt mir erneut zu und bietet mir endlich auch eine Tasse an.
„Danke, zwei Stück. Was meinst Du, soll ich hier einen Refund versuchen? So aus Prinzip?“
Ein scharfer Blick, der nichts anderes als „Aber sonst geht’s Dir noch gut?“ bedeutet, schiesst aus blitzenden Augen. Meine Motivation deutet auf das andere Spiel, welches ich zusätzlich erworben habe.
Natürlich auch hier volles Risiko. Early Access. Bzw. In-Developement, wie das bei GOG heisst:
Erinnert mich enorm an Spacebase DF-9. Hoffentlich ohne das Release-Desaster, welches mich dazu veranlasste Tim Schafers Götzenbild hochkant in den Mülleimer zu werfen.
Schau mer mal, scheint was Nettes zu sein …
Und zu Ihnen, Herr Jones … es tut mir wirklich leid für Sie, aufrichtig leid, aber George Lucas hat Sie auf dem Gewissen. Zuerst im Videospielbereich und dann als vierter Teil einer Film-Trilogie, der somit folglicherweise gar nicht existiert. Ich weiß nicht, was die Leute haben, wenn die Sprache auf Herr Jones und die Erich von Däniken-Logbücher kommt. Es gibt so einen Film nicht. Es gibt keinen Indiana Jones 4-Film, so wie es auch dieses Spiel hier nicht gibt.
Bähh, pfui, yuck!
Hatte vor ein paar Jahren das Tomb Raider Reboot ausprobiert. Mann, war das langweilig! Das ganze 3rd person action adventure genre tritt seit gefuehlten 20 Jahren auf der Stelle. Verkauft sich wahrscheinlich trotzdem immer noch zu gut um was zu aendern.
Welches TR-Reboot? Gibt ja mittlerweile zwei davon 🙂
Der von 2013 ist spielerisch und in Sachen Story/Charakterisierung so dermaßen grütze, dass selbst die schicke Optik und hohen Produktionswerte das Teil nicht retten können. Hier war die von Dir genannte Auf-der-Stelle-Treterei massiv spürbar. Denn wenn einem sonst nix einfällt ausser massiv Quick Time Events ins Spiel zu schütten, weisst Du genau, dass das Gamedesign-Team hier vor der eigenen Einfallslosigkeit und/oder den Vorgaben der Geschäftsleitung kapituliert und sich das Leben leicht gemacht hatte.
Uhh … Space Haven! Da würde ich gerne was zu lesen, denn damit liebäugle ich sehr (möchte aber nicht etwas in Entwicklung kaufen). Los, vorwärts Harz – opfere Dich zum Wohle der Vielen! „: D
Ansonsten finde ich Out There gerade ganz witzig. Es hat seine Schwächen, aber das Grunprinzip ist spaßig und die Atmosphäre teilweise richtig gelungen. Die investierten Zweifuchzig allemal wert. ^^
TR Reboot: Ich fand „Legends“ prima, und danach „Anniversary“. Aber ich sehe grade, dass das ja schon 2006/07 war. 2013 ist also Second Reboot, und das stimmt: der war üble Grütze, nicht bloß wegen der Quick time events, sondern weil die Kletterstrecken, die früher mal Hauch eines Puzzles waren, jetzt reiner Sport wurden. Und alles, was früher Stimmung war, dann bloß Action. Die Pseudo-OpenWorld hat dem Spiel überhaupt nicht gut getan, und ich verstehe auch nicht, warum die Identifikation mit der Figur immerzu durch emotionale Erpressung erreicht werden muss.
“ und ich verstehe auch nicht, warum die Identifikation mit der Figur immerzu durch emotionale Erpressung erreicht werden muss.“
Das muss man dann tun, wenn man keine Ahnung davon hat, wie man so etwas richtig macht. Und wenn Dir so etwas häufig auffällt, dann liegt das daran, dass zum einen nicht wenige solcher Projekte von Leuten gemacht werden, die keinen Schimmer davon haben, wie man interessante Charaktere gestaltet. Und zum anderen, dass diejenigen, die so etwas können, oft nicht die Ressourcen bekommen, das im Projekt entsprechend umzusetzen, so dass halt nur der schnelle, preiswerte Narrativ-Holzhammer übrigbleibt.
Wobei man das weder dem Entwickler, noch dem Publisher vorwerfen kann. Solche Spiele sollen nur schnell Umsatz bringen und dann schon im nächsten Jahr durch einen Nachfolger ausgetauscht werden. Du kannst von solchen Spielen nicht Inhalte oder Qualitätslevel erwarten, die diese gar nicht liefern können/sollen.