Je älter man wird, umso mehr verschwindet die unmittelbare Vergangenheit, um von einer immer detaillierteren Erinnerung der deutlich weiter weg liegenden Vergangenheit verdrängt zu werden. Man kennt das vielleicht aus eigener Erfahrung, wenn die Oma nicht mehr weiß, was sie gestern gegessen hat, aber sie kann einem stundenlang erzählen, was sie in ihrer Jugend erlebt hat. Was man erst dann vermisst, wenn diese Person nicht mehr lebt und dieser Erfahrungsschatz für immer verloren ist. Wie bei meiner Großmutter, die als Nachfahrin deutscher Aussiedler an den Ufern des Schwarzen Meeres aufgewachsen ist und als junges Mädchen eine Zeit erlebte, als in Europa noch die Monarchen herrschten.
Zum Glück lebe ich seit geraumer Weile in wesentlich (!) uninteressanteren Zeiten, so dass meine Gedächtnisschwerpunktverschiebung oft nur so harmlose Dinge wie Videospiele umfasst. Denn als ich mir die Frage beantworten wollte, welches denn mein Spiel des Jahres 2021 sei, da ist mir ums Verrecken nichts eingefallen. Nicht einmal, welche Titel aus diesem Jahr ich dieses Jahr gespielt habe. Nach langem Grübeln kam ich auf Dorfromantik, aber das befindet sich ja noch im Early Access, das giltet nicht.
Ok, ich greife zu einem immer unverzichtbareren Tool. Playnite erlaubt mir das Filtern meiner umfangreichen Sammlung nach Erscheinungsjahr. Flugs wähle ich 2021 aus und bin (nicht wirklich) erstaunt über die doch recht überschaubare Liste:
Drei Early-Access-Titel. Dread Templar, Dorfromantik und Graven. Die ersten beiden entwickeln sich sehr, SEHR vielversprechend, während beim letzteren sich leider sehr wenig tut (um es mal höflich auszudrücken).
Monster Bash HD. Das ist ein netter Remaster des Apogee-Klassikers aus dem Jahr 1993, aber kein Spiel des Jahres-Material.
The Riftbreaker. Da hatte mich die Demo im positiven Sinne sowas von den Füßen gerissen, dass ich mir das Teil sofort beim Release holen musste … nur um dann keine Muße mehr dafür zu finden. Grmbl!!
Diablo 2 Ressurected. Wie auch Monster Bash HD, so ist das ein netter, solide gemachter Remaster, aber natürlich KEIN GotY-Material.
Blade of Agony. Ja, das ist ein Mod. Ein erstklassiger Mod. Den ich weiterhin jedem ans Herz lege, der sich auch im Jahre 2021 und nachfolgend für Doom-Mods interessiert. Wenn überhaupt, dann wäre das mein Spiel des Jahres, wenn man nach Releasejahr ginge. Blade of Agony ist einfach nur geil! Aber ich gehe nicht nach Releasejahr.
Ginge es nach in diesem Jahr angesammelter Spielzeit, so ist mein Spiel des Jahres ein Spiel aus dem Jahr 2018, welches, ginge es weiterhin nach angesammelter Spielzeit, auch mein definitives Spiel der letzten Halbdekade ist.

Battletech von Harebrained Schemes vereint vieles, was mir ausnehmend gut gefällt, auf so eine perfide Art und Weise, dass ich locker über die direkten und indirekten Fehler, Detailmängel und Design-Ungereimtheiten dieses Titels hinwegsehen kann. Ich habe viele Stunden in diesem Spiel versenkt, bin wieder dabei viele Stunden in diesem Spiel zu versenken und werde auch in den kommenden Jahren die eine oder andere Stunde, na, ihr wisst schon …
Inzwischen gibt es nebst drei offiziellen Addons auch eine lebendige und kreative Mod-Community, so dass ich nicht weiter darauf warten muss, dass Harebrained vielleicht eines Tages die Clan-Ära und/oder spätere Epochen versoftet. Neue Kampagnen gibt es erstaunlicherweise nicht (oder sie sind gut versteckt), was mich ein wenig wundert, denn gerade dieses Setting bietet Platz für nicht nur das Nachspielen der Bücher, sondern verdammt viel Platz für eigene Geschichten. Aber vielleicht hat das auch technische Gründe.
Wie auch immer, ich hatte dieses Jahr viel Spaß mit Battletech Extended 3025.
Das ist im Grunde nur eine Mod-Sammlung, die aber solide zusammengestellt und kuratiert wurden. Die Gameplay-Änderungen gegenüber Vanilla halten sich in Grenzen, was genau in meinem Sinne ist, denn Vanilla war grundsätzlich in Ordnung, aber gegen ein paar Quality-of-Life-Features wie z.B. farbige Sichtlinien, die einem besser dabei helfen zu erkennen, ob man einen Mech frontal von vorne, von der Seite oder von hinten beschießt, habe ich nichts einzuwenden.
Mech-Piloten leiden nun an Erschöpfung nach einem Einsatz (je länger, umso weniger vertraut sie mit einem Mech sind) und müssen ein paar Tage regenerieren. Sie können zwar sofort wieder ins Gefecht geschickt werden, aber die Resolve-Erzeugung für die Spezialattacken fällt dann ins Bodenlose. Und ja, es gibt noch mehr RPG-Elemente. Piloten machen sich sukzessive mit einem Mech-Typ vertraut, je öfter sie ihn steuern. Je mehr Missionen mit z.B. einem Thunderbolt, umso agiler bewegt der Pilot den Mech, umso besser trifft er, umso weniger Schaden erleidet er und andere Eigenschaften, die je nach Mech unterschiedlich ausfallen können. Hier gibt es nach X erfolgreichen Einsätzen einen Bonus auf Missile-Clustering, dort auf Resolve-Erzeugung oder Initiative. Steuert man einen Mech eine Weile nicht mehr, fällt dieser „Vertrautheits“-Wert allmählich wieder ab. Gerade bei RND-Spielmechaniken können solche Perks das nötige Glück ein wenig in Richtung des Spielers verbiegen, so dass es sich durchaus rentiert langfristige Mech-Piloten-Kombinationen herauszubilden.
Es gibt etliche neue Mechs, deren Modellqualität im Vergleich zu den Harebrained-Mechs aber teilweise deutlich abfällt. Doch wer im Hangar Mechs sammelt wie andere Leute Briefmarken, sagt nicht nein, wenn man zum Beispiel über genug Teile für einen *kreisch* Crusader verfügt.
Wer möchte, kann nach Abschluss der Kampagne so lange weiterspielen, bis man die Zeit erreicht hat, in der mehr und mehr Ausrüstung auftaucht, die auf dem Helm-Memory-Core basiert. Wer noch weiter durchhält, kann versuchen sich mit den einfallenden Clans zu vergnügen, doch da empfiehlt der Mod-Autor zuerst GAAAAANZ KLEIN anzufangen, sind Clanner-Mechs ihren Inner Sphere-Kollegen anfänglich doch *hust* dezent überlegen.
Oder man verlegt den Start der SP-Kampagne einfach ein paar Jahre nach vorne, so dass man sich nach ihrem Abschluss sofort mit den Clans prügeln darf.
Battletech Extended 3025 integriert sich tadellos in die SP-Kampagne und Flashpoint-Missionen.
Und wenn ich davon genug habe … Roguetech oder BT Advanced machen aus dem Original fast ein ganz neues Spiel.
Mods waren für mich früher ein netter Gag, um einem liebgewonnenen Spiel ein paar neue Aspekte abzugewinnen, einen Replay interessanter zu gestalten. Heute sind Mods nicht mehr wegzudenken, wenn man qualitativ hochwertige Titel zocken möchte. Modding-Projekte sind immer öfter weitaus besser als das Original oder vergleichbare, andere kommerzielle Titel, weil da nicht Angestellte einem Broterwerbsjob nachgehen, sondern Leute aus Leidenschaft ihre kostbare Freizeit opfern.
Mein Spiel für dieses und wahrscheinlich auch der kommenden Jahre: Ein gemoddetes Battletech.
Euch wünsche ich vor allem viel Muße für all die tollen Spiele, Bücher, Filme und Serien, die uns erfreuen und begeistern.
In diesem Sinne …

https://www.deviantart.com/viereth
Ulkig, ich verschlinge gerade die Battletech Romane und suchte Mech Warrior 5. Battletech von HBS (Vanilla) ist mir leider etwas zu schwer wie ich mir eingestehen musste. Ich war beim Spielen sehr unsicher wie ich die Piloten skillen soll, welche Zusammenstellung der Lanze Sinn macht und wie ich die Mechs ausrüsten/modifizieren soll. Ich habe die Missionen zwar geschafft, hatte aber nie das Gefühl sie gut gemacht zu haben. Vielleicht sollte ich da mal meine Ansprüche runterschrauben oder es halt mit den hier toll umschriebenen Mods probieren. Jagged Alliance 2 macht schließlich auch nur mit 1.13 Spaß weil man endlich die Mechaniken begreift!
Wünsche auch allen schöne Feiertage hier! Danke fürs fleißige und kontinuierliche Schreiben Harzzach.
„Ich habe die Missionen zwar geschafft, hatte aber nie das Gefühl sie gut gemacht zu haben.“
Hehe, das ist das beabsichtige Ziel von Harebrained gewesen 🙂 Man spielt eine Söldner-Truppe, die sich von Mission zu MIssion hangelt. Wo jeder beschädigte Mech teuer und Fleisch billig ist. Wo man auch oft genug die Flucht antritt, wenn der Gegner genug Schaden angerichtet hat, die Mission droht zu einem Verlustgeschäft zu werden. Wo es sogar ein Achievement gibt, wenn Decker, der Scout und anfänglich Pilot eines zerbrechlichen Spider-Mechs, das Kampagnenende lebend erreicht.
Ich habe deswegen übles Save-Scumming betrieben, wenn der Alpha-Schlag mit 90%-Trefferwahrscheinlichkeit halt doch ins Leere geht und der letzte Gegner mit seinem letzten verzweifelten Melee-Angriff das Cockpit eines erfahrenen Piloten eintritt. Danach habe ich einen Save Editor verwendet und hemmungslos Double Heatsinks, Snub-PPCS und dergleichen „organisiert“.
Die RND-Mechaniken von BT sind geil, wenn man zusammen an einem Tisch sitzt und schreit und lacht und kurz vor dem Platzen der Halsschlagader steht, wenn die Würfel doof fallen. Das passt dort. Aber alleine vor dem Rechner? Für mich teilweise unerträglich. Also tue ich alles, um RNGesus in meine Richtung zu schieben.
Die Worte motivieren mich es nochmal zu probieren – bei MW5 läuft es ja tatsächlich ähnlich: „Ah cool, 759.385 C-Notes verdient! Ah hmm, Reparaturen in Höhe von 612.978 C-Notes und einen Piloten verloren – naja… auf zur nächsten Mission für 100.000 Reisekosten.“ Am Ende macht man doch gewinn.
Ich sollte diesen Anspruch einfach auf ein Runden-Taktik Spiel übertragen 🙂
Bei den Romanen staune ich im übrigen wie schlimm die Grey-Death Saga ist die von den Fans ja so gefeiert wird.
Die Grey Death-Saga wird gefeiert, weil sie für viele, inklusive mir, der erste Konatkt mit dem Setting war. Letztlich mal wieder gelesen … hrmpf. Altert nicht gut 🙂
Sagen wir so … hochkarätige Literatur wird man in vielen Battletech-Romanen nicht finden. Das sind in der Regel alles Auftragsarbeiten, die manchmal mehr, manchmal weniger routiniert runtergeschrieben werden. Stackpoles Bücher kann man IMHO als solides Popcorn gut weglesen, bei allen anderen ist da viel Hit & Miss dabei. Ich habe auch irgendwann aufgehört BT-Romane zu lesen, den Großteil kenne ich gar nicht.
Das betrifft aber so ziemlich alle Multimedia-Franchises, die auch in Buchform existieren. Sei es Star Trek, Star Wars, AD&D, Das Schwarze Auge, Warcraft, Warhammer … es gibt jeweils eine Handvoll Bücher, die sehr ordentliche bis richtig gute Unterhaltungsliteratur sind, dann viel eher mäßiges Mittelmaß bis hin zu jeder Menge Utter Shite.
Ich kann aus der Originalreihe „Wölfe an der Grenze“ sehr empfehlen! Das wird im Internet oft als das beste BT-Buch gehandelt und ist letztens als eBook rausgekommen.
Es gibt auch einige neuere Bücher, ausschließlich auf Deutsch, die allerdings nicht kanonisch sind. „Die Kanonen von Thunder Rock“ von Bernd Perplies ist mein persönliches BT Lieblingsbuch. Von ihm stammt auch der Shadowrun Roman „Nachtmeisters Erben“. Beides wirklich gute, zügige Unterhaltung!
Stackpole hat übrigens auch mehrere Bücher der X-Wing Reihe geschrieben, die auch lesenswert sind und sich gut in die Thrawn Trilogie einfügen.
Was macht man, wenn noch ~2h bis Bescherung sind? Klar, man schaut bei Seniorgamer vorbei!
Interessantes Thema übrigens, was war mein Spiel des Jahres ‚aus diesem Jahr‘? Ich müsste Psychonauts 2 sagen (Top!), aber wenn ich ehrlich bin, ist es wohl doch von der reinen Spielzeit das „Quake Deluxe“-Paket. (Zählt das eigentlich wg. kostenlos?)
Tja, damit hat es sich auch mit der Aufstellung ’21er Erwerbungen aus 21′. Dafür aber eine wilde Mischung aus Mods, meine alte PS2 mit Festpladde (bzw. SSD) pimpen und solchen Sachen wie „Ori and the Blind Forest“ mal auf ‚4K-Overdrive-dennoch-auf-bezahlbarer-Hardware‘ zu Ende spielen.
Herrlich, ich vermisse nüscht!
P.S.: Hast Du eigentlich Nier noch im ‚ab und zu‘? Hast Du nach Marx (bei dem Du ja fast einen Ragequit hattest) mittlerweile mit Engels phliosophiert, Pascal und Adam und Eva schon getroffen…?
An alle da draußen: Frohe und gesunde Weihnachten!
Aloha2